Presse­mit­teilung | Arznei­mittel

Gemeinsamer Bundes­aus­schuss beschließt Ausnahme-​Liste – Die Kosten­übernahme rezept­freier Arznei­mittel ist nun eindeutig geregelt

Siegburg, den 16. März 2004 – Der Gemeinsame Bundes­aus­schuss (G-BA) hat heute die Ausnahmen des seit dem 1. Januar 2004 geltenden Verord­nungs­aus­schlusses sogenannter OTC-​Präparate („over-​the-counter“, nicht verschrei­bungs­pflichtige Arznei­mittel) beschlossen.

Diese Übersicht enthält Arznei­mittel, die bei der Behandlung schwer­wie­gender Erkran­kungen als Therapie­standard gelten. So enthält die Übersicht beispielsweise Acetyl­sa­li­cylsäure zur Nachsorge von Herzinfarkt und Schlag­anfall sowie nach arteriellen Eingriffen und Iodid zur Behandlung von Schild­drü­sen­er­kran­kungen. Als pflanzliche Präparate werden auch Johanniskraut zur Behandlung mittel­schwerer depressiver Episoden und Ginkgo-​biloba-blätter-Extrakt  zur Behandlung der Demenz genannt.

Der G-BA hatte die Aufgabe, in einer Übersicht Arznei­mittel zusammen zu stellen, die bei schwer­wie­genden Erkran­kungen als Standard-​Medikamente eingesetzt werden.

„Der Gemeinsame Bundes­aus­schuss ist termin­gerecht seinem gesetz­lichen Auftrag nachge­kommen und hat nach fachlichen, medizi­nischen Kriterien diese Liste erarbeitet. Ärzte und Patienten haben nun Klarheit darüber, welche OTC-​Präparate ausnahmsweise von den Kassen erstattet werden“, so Dr. Rainer Hess, Vorsit­zender des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses heute in Siegburg.

Um – wie gesetzlich angeordnet – der Therapie­vielfalt Rechnung zu tragen, hat sich der G-BA veranlasst gesehen, zur Behandlung der in der Übersicht genannten Erkran­kungen auch Arznei­mittel der Anthro­po­sophie und Homöopathie zur Verordnung zuzulassen, sofern die Anwendung dieser Arznei­mittel als Therapie­standard in der jeweiligen Therapie­richtung angezeigt ist. Der Vorsitzende wies mit Nachdruck darauf hin, dass die Berück­sich­tigung dieser Arznei­mittel nicht nach den fachlichen Kriterien des wissen­schaft­lichen Wirkungs­nach­weises erfolgt sei, sondern vor dem Hintergrund der im Gesetz geforderten Berück­sich­tigung der besonderen Therapie­rich­tungen.

Das Gesetz sieht vor, dass seit dem 1. Januar 2004 alle frei verkäuf­lichen Medikamente grundsätzlich vom Patienten zu zahlen sind – Kinder bis zum 12. Lebensjahr und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr mit Entwick­lungs­stö­rungen sind von dieser Regelung ausgenommen.

Die umfang­reichen Vorarbeiten zu der nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 vom G-BA zu beschlie­ßenden Ausnahme-​Liste der zu Lasten der Kranken­kassen verord­nungs­fähigen OTC-​Präparate wurden vom ehemaligen Bundes­aus­schuss der Ärzte und Kranken­kassen im vergangenen Jahr begonnen und nach dessen Konsti­tu­ierung am 13. Januar 2004 vom Gemeinsamen Bundes­aus­schuss fortgesetzt. Das Anhörungs­ver­fahren wurde im Dezember 2003 eingeleitet. Hierbei wertete der zuständige Unteraus­schuss neben den Stellung­nahmen der anhörungs­be­rech­tigten Organi­sa­tionen auch über 100 Stellung­nahmen von nicht anhörungs­be­rech­tigten Organi­sa­tionen, Ärzten und Patienten aus. Die seit dem 1. Januar 2004 im Gemeinsamen Bundes­aus­schuss tätigen Patien­ten­ver­treter haben die Übersicht im Plenum und auf der Arbeitsebene mitberaten.

Die beschlossene Änderung der Arzneimittel-​Richtlinien tritt zum 1. April 2004 nach Veröffent­lichung im Bundes­an­zeiger in Kraft und ist dann auf der Internetseite des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses www.g-ba.de verfügbar.

Weiterhin wurde in der heutigen Sitzung eine Liste der sogenannten Lifestyle-​Präparate beschlossen. Das sind Arznei­mittel, die zur Steigerung der sexuellen Potenz, Raucher­ent­wöhnung, Regulierung des Körper­ge­wichts und Verbes­serung des Haarwuchses eingesetzt werden. Mit dieser Übersicht wird der gesetzlich vorgegebene Verord­nungs­aus­schluss konkre­tisiert.
Auch diese Änderung der Arzneimittel-​Richtlinien ist nach In-​Kraft-Treten auf der Internetseite des G-BA abrufbar.

Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses berieten weiterhin die vom BMGS vorgenommene Beanstandung des Beschlusses zur Sonden­nahrung. Das Gremium lehnt die rechtliche Verpflichtung ausdrücklich ab, hierzu eine zweite Anhörung durchführen zu müssen, da dies nicht dem üblichen Verfahren entspricht. Im Interesse der Sache wurde jedoch der Beschluss gefasst, eine zusätzliche Anhörung einzuleiten.

„Der Gemeinsame Bundes­aus­schuss wäre durchaus interessiert gewesen, die Frage der Rechtmä­ßigkeit dieser Beanstandung in einem Muster­prozess zu klären“, so der Vorsitzende, Dr. Rainer Hess, heute in Siegburg. „Wir wissen aber, dass eine gerichtliche Ausein­an­der­setzung die Entscheidung bis zu drei Jahren hinaus­zögern würde. Im Interesse der Versicherten möchten wir zu einer schnellen Lösung kommen.“

Das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Verein­barkeit der Festbe­trags­re­gelung nach § 35 SGB V mit europäischem Wettbewerbs-​ und Kartellrecht wird vom Gemeinsamen Bundes­aus­schuss begrüßt. Aufgrund des zeitlichen Zusammen­fallens der Urteils­ver­kündung und der Sitzung des G-BA wurde die Beschluss­fassung zur Neubildung von Festbe­trags­gruppen vertagt.


Beschluss zu dieser Presse­mit­teilung

Arzneimittel-​Richtlinien: OTC-​Übersicht und Ausschluss Life-​style-Präparate