Presse­mit­teilung | Arznei­mittel

LSG bestätigt Rechts­auf­fassung des G-BA: Klage gegen Auffor­derung zur Dossier­vorlage im Nutzen­be­wer­tungs­ver­fahren hat keine aufschiebende Wirkung

Berlin, 1. März 2013 – In der rechtlichen Ausein­an­der­setzung zwischen dem Gemeinsamen Bundes­aus­schuss (G-BA) und der Novartis Pharma GmbH um einstweiligen Rechts­schutz gegen den sogenannten Bestands­markt­aufruf der Arznei­mit­tel­wirk­stoff­gruppe der Gliptine hat das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-​Brandenburg (LSG) mit einer am Donnerstag getroffenen Entscheidung die Rechts­auf­fassung des G-BA bestätigt: Das Gericht verneinte, dass Widerspruch beziehungsweise Klage gegen die Veranlassung der Nutzen­be­wertung von Arznei­mitteln aufschiebende Wirkung haben und hat den Eilantrag des Unternehmens abgelehnt (Az.: L 7 KA 106/12 KL ER).

Der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses, Josef Hecken, begrüßt die Entscheidung des LSG ausdrücklich: „Die Entscheidung des Gerichtes stellt unmiss­ver­ständlich klar, dass es sich bei der Veranlassung einer Nutzen­be­wertung durch den G-BA nicht um einen Verwal­tungsakt handelt. Dadurch ist bestätigt, dass Widerspruch und Anfech­tungs­klagen keine aufschiebende Wirkung entfalten. Dadurch kann die bisherige, stringente Verfah­rens­praxis des G-BA auch weiterhin fortgeführt werden.“

Darüber hinaus sei er – so Hecken weiter – sehr dankbar für die wichtigen Hinweise des LSG zu der Gestaltung des § 35a Abs. 8. „Die Ausfüh­rungen des Gerichtes haben gezeigt, dass die bestehenden Regelungen des § 35a für eine rechts­sichere Umsetzung des Bestands­markt­aufrufes nachjustiert werden müssen. Damit hat das Gericht wertvolle Hinweise gegeben, um redaktionelle Klarstel­lungen in § 35a SGB V aufzunehmen, damit der Wille des Gesetz­gebers, Klagen in Bestands­markt­ver­fahren auch erst nach Abschluss eines möglichen Schieds­ver­fahrens zuzulassen, auch umgesetzt wird. Alles andere wäre für die Nutzen­be­wertung im Bestandsmarkt fatal, denn bei jahrelangen Rechts­streiten über jeden einzelnen Verfah­rens­schritt würde die Nutzen­be­wertung faktisch ins Leere laufen, da in dem meisten Fällen dann der Patent­schutz ohnehin abgelaufen wäre. Zudem gibt eine gesetz­ge­be­rische Klarstellung auch mehr Sicherheit in möglichen verfas­sungs­recht­lichen Streit­ver­fahren, in denen über die Reichweite des Art. 19 Abs. 4 des Grundge­setzes gestritten werden wird.“

Der G-BA hatte im März 2012 für den damals neu zugelassenen Wirkstoff Linagliptin das gesetzlich vorgesehene Verfahren der frühen Nutzen­be­wertung abgeschlossen. Im Juni 2012 veranlasste der G-BA dann erstmals auch die – ebenfalls im § 35a SGB V vorgesehene – Nutzen­be­wertung für Arznei­mittel des sogenannten Bestands­marktes, also von Arznei­mitteln, die vor dem 1. Januar 2011 auf den Markt gebracht wurden. Betroffen davon waren die Wirkstoffe Sitagliptin, Vildag­liptin und Saxagliptin sowie die Wirkstoff­kom­bi­na­tionen Metformin/Sitagliptin und Metformin/Vildag­liptin zur Behandlung der Zucker­krankheit (Diabetes mellitus Typ 2).

Novartis hatte daraufhin beim LSG beantragt, dass die von der Firma geltend gemachten Rechts­behelfe (Widerspruch und Anfech­tungsklage) gegen die Auffor­derung des G-BA zur Einreichung eines Dossiers für die Nutzen­be­wertung von Vildag­liptin aufschiebende Wirkung haben solle. Das LSG entschied mit einer Zwischen­ver­fügung am 20. Dezember 2012, die Frist zur Einreichung eines Dossiers für Vildag­liptin zunächst bis zum 31. März 2013 zu verlängern. Als Konsequenz hatte der G-BA im Januar 2013 eine Verlän­gerung der Frist zur Vorlage eines Dossiers auch für die Wirkstoffe Sitagliptin, Saxagliptin sowie für die Wirkstoff­kom­bi­nation Metformin/Sitagliptin beschlossen, um für alle von diesem Bestandsmarkt-​Aufruf des G-BA betroffenen Unternehmen die Verfah­rens­be­din­gungen zu verein­heit­lichen.

Neu zugelassene Arznei­mittel mit neuen Wirkstoffen werden in Deutschland seit dem Jahr 2011 grundsätzlich einer frühen Nutzen­be­wertung unterzogen. Dafür müssen die Hersteller dem G-BA Dossiers auf Grundlage der Zulassungs­un­terlagen vorlegen, die einen patien­ten­re­le­vanten Zusatz­nutzen des Medikaments im Vergleich zu einer zweckmäßigen Vergleichs­therapie belegen.

Nach dem Willen des Gesetz­gebers kann der G-BA auch für bereits schon länger zugelassene und im Verkehr befindliche Arznei­mittel (Arznei­mittel im Bestandsmarkt) eine Nutzen­be­wertung veranlassen (§ 35a Absatz 6 SGB V in Verbindung mit 5. Kapitel, § 16 VerfO). Ausführliche allgemeine Informa­tionen sowie eine vollständige Auflistung der Wirkstoffe im Verfahren der frühen Nutzen­be­wertung sind auf der Website des G-BA unter www.g-ba.de zu finden.