G-BA-Rechtssymposium zu Digitalisierung – Dokumentation ist online
Berlin, 29. Juni 2022 – Die vollständige Dokumentation des Rechtssymposiums „Digitalisierung und Datenschutz im Gesundheitswesen – Chancen und Herausforderungen“ vom 17. Juni 2022 ist jetzt mit Videomitschnitten aller Vorträge auf der Website des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) verfügbar. An dem als Hybridveranstaltung angebotenen Symposium nahmen rund 70 Präsenzbesucher und 2.620 weitere Interessierte via Livestream online teil.
Nutzen der Digitalisierung: Sicherheit und dynamisches Lernen
Acht Referentinnen und Referenten loteten in ihren Vorträgen aus, welche Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung sie für das Gesundheitswesen sehen. Auf der Habenseite verbuchten zahlreiche Rednerinnen und Redner, dass Digitalisierung der Versorgung einen echten Schub geben kann. Beispiele dafür gibt es viele: Doppeluntersuchungen vermeiden, Patientensicherheit fördern oder auch ein dynamisches Lernen im besten Falle sogar mit Real-Time-Daten (Prof. Ferdinand Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen). Was allerdings fehlt – auch da waren sich viele einig – ist das Umsetzungstempo.
Dabei gelte es, alle Chancen zur Digitalisierung konsequent zu nutzen, um das Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen, so Gastgeber Prof. Josef Hecken (Unparteiischer Vorsitzender des G-BA). Denn bei immer komplexer werdenden Behandlungsabläufen, Personalknappheit und einer gleichzeitig wachsenden Zahl multimorbider Versicherter sei die Versorgung ohne digitale Instrumente nicht mehr zu gewährleisten.
Elektronische Patientenakte als zentrale Datendrehscheibe
Eine zentrale Rolle in der digitalen Versorgung soll künftig die elektronische Patientenakte (ePA) als „Datendrehscheibe“ leisten (Dr. Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin Digitalisierung, Bundesgesundheitsministerium). Freilich sei die ePA mit derzeit nur knapp 500.000 Nutzern noch weit davon entfernt, diese Rolle zu übernehmen. Wichtig sei außerdem, dass brauchbare und strukturierte Informationen gespeichert würden (Prof. Gerlach und Franz Knieps, Vorstand des BKK Dachverbandes). Während bei einigen Rednerinnen und Redner große Sympathien für eine Opt-Out-Lösung deutlich wurden (Arzt und Rechtsanwalt Prof. Christian Dierks, Susanne Ozegowski), blieben andere skeptisch, ob der Ball nicht eher bei der Industrie liegen würde, zeitgemäße Lösungen für eine Anonymisierung anzubieten (Susanne Möhring, die hier den Bundesbeauftragten für den Datenschutz vertrat).
Digitalisierung löst keine Strukturprobleme
Strukturprobleme indes können sich mit Digitalisierung nicht lösen lassen (Prof. Josef Hecken, Franz Knieps und Prof. Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen). Der Glaube, Struktur- und Personalprobleme durch die Zuschaltung digitaler Lösungen zu beseitigen, sei – hier waren sich die drei genannten Redner einig – aus ihrer Erfahrung zum Scheitern verurteilt.
Digitale Gesundheitsanwendungen
Doch auch beim Datensammeln dürfe die Qualität nicht vernachlässigt werden (Prof. Josef Hecken). Dies betreffe zum Beispiel auch Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA), deren Möglichkeiten noch längst nicht ausgeschöpft sind (von den derzeit 31 verordnungsfähigen Apps sind 19 in der Erprobung). Beim Nachweis ihrer Versorgungseffekte stützen sich mittlerweile immerhin 80 Prozent der Herstelleranträge auf randomisierte, kontrollierte Studien (Dr. Wiebke Löbker, Leiterin der Stabsstelle Innovationsbüro des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte). Langfristig müssen jedoch, so Hecken, auch für DiGA die gleichen Qualitätskriterien gelten wie für andere im GKV-System verfügbare Produkte; nicht nur aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots. Aus einer CE-Zertifizierung allein ließe sich nicht ableiten, dass ein Produkt wirksamer sei als andere schon verfügbare. Zudem müssen DiGA ihre Algorithmen und die hinter ihnen stehenden Leitlinien offenlegen, damit das, was sie messen, auch klar definiert sei.