Fachnews | Arzneimittel

Erneute Zusatznutzenbewertung von Orphan Drugs nach Erreichen der Umsatzschwelle: Tebentafusp, Patisiran und Cannabidiol

Berlin, 16. Mai 2024 – Bei der erneuten Nutzenbewertung von Orphan Drugs (Arzneimittel für seltene Erkrankungen) im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie kam der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zu sehr unterschiedlichen Bewertungsergebnissen. Für den Wirkstoff Tebentafusp konnte der beträchtliche Zusatznutzen bestätigt werden – hier hatte der pharmazeutische Unternehmer bereits für die Zulassung eine hochwertige Studie vorgelegt. Beim Wirkstoff Patisiran führte der Vergleich gegenüber einer aktiven Therapie zu einer deutlich veränderten Einschätzung des Zusatznutzens: von der Kategorie „beträchtlich“ auf „geringerer“. Für zwei Anwendungsgebiete des Wirkstoffes Cannabidiol konnten die vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Daten einen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegen.

Anlass der jeweiligen Neubewertung war, dass die Umsatzgrenze mit der gesetzlichen Krankenversicherung einen Betrag von 30 Millionen Euro überschritten hatte. Bis zum Erreichen dieser Umsatzgrenze gilt der Zusatznutzen bereits auf Grundlage der Zulassung für seltene Erkrankungen nach dem Willen des Gesetzgebers als belegt. Der G-BA bewertet – sofern der pharmazeutische Unternehmer nicht von sich aus eine reguläre Bewertung des Zusatznutzens gegenüber einer vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie in Anspruch nimmt – nur das Ausmaß des unter Berücksichtigung der Zulassung anzunehmenden Zusatznutzens.

Tebentafusp: Gute Studie bestätigt beträchtlichen Zusatznutzen

Tebentafusp ist zugelassen zur Behandlung von HLA (humanes Leukozyten-Antigen)-A*02:01-positiven Erwachsenen mit einem inoperablen oder metastasierten uvealen Melanom. Der G-BA konnte für das Orphan Drug auf Basis einer noch laufenden, randomisierten, multizentrischen Studie auch im Vergleich gegenüber einer Therapie nach ärztlicher Maßgabe einen beträchtlichen Zusatznutzen feststellen. Ausschlaggebend für die Bestätigung des festgestellten Zusatznutzens aus dem Jahr 2022 ist ein deutlicher positiver Effekt für die Dauer des Überlebens, der für die Patientinnen und Patienten in einer fortgeschrittenen palliativen Behandlungssituation auch gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie gezeigt wird.

Patisiran: Geringerer Nutzen gegenüber neuer Vergleichstherapie

Patisiran ist in Deutschland seit dem Jahr 2018 zur Behandlung von Erwachsenen mit hereditärer Transthyretin-Amyloidose mit Polyneuropathie im Stadium 1 oder 2 auf dem Markt – auf Basis des damals vorgelegten Placebo-Vergleichs stellte der G-BA einen beträchtlichen Zusatznutzen fest. Für die erneute Nutzenbewertung legte der pharmazeutische Unternehmer eine Studie vor, in der Patisiran gegenüber dem seit 2022 zur Verfügung stehenden Wirkstoff Vutrisiran, der die zweckmäßige Vergleichstherapie darstellt, verglichen wird. Da sich in der Kategorie Nebenwirkungen deutliche Unterschiede zum Nachteil von Patisiran zeigten, stufte der G-BA den Zusatznutzen im Verhältnis zu Vutrisiran als „geringerer Nutzen“ ein.

Cannabidiol: Datengrundlage für Zusatznutzenbeleg ungeeignet

Für Cannabidiol – zugelassen als Zusatztherapie bei Krampfanfällen im Zusammenhang mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) oder dem Dravet-Syndrom (DS) in Verbindung mit Clobazam bei Patientinnen und Patienten ab 2 Jahren – stellte der G-BA im Jahr 2020 einen „beträchtlichen“ Zusatznutzen fest. Grundlage der nun abgeschlossenen erneuten Nutzenbewertung waren Studien des Herstellers, in denen Cannabidiol gegenüber Placebo und unverändert fortgesetzter antiepileptischer Behandlung verglichen wurde – statt gegenüber der vom G-BA bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie, einer patientenindividuellen Therapie unter Auswahl von verschiedenen Wirkstoffen. In der Gesamtschau waren die vorgelegten Daten für die Bewertung des Zusatznutzens nicht geeignet, da diese keine Optimierung der antiepileptischen Behandlung vorsahen, so dass der G-BA den Zusatznutzen vor diesem Hintergrund als „nicht belegt“ einstufte.


Beschlüsse zu dieser Fachnews

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen sind auf der Website des G-BA zu finden: AMNOG – Nutzenbewertung von Arzneimitteln gemäß § 35a SGB V