Corona-Pandemie: G-BA aktiviert bundeseinheitliche Sonderregeln für verordnete Leistungen
Berlin, 30. Oktober 2020 – Angesichts der exponentiell steigenden Corona-Infektionszahlen in Deutschland hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute weitere zeitlich befristete bundeseinheitliche Sonderregelungen bei ärztlich verordneten Leistungen aktiviert. Sie gelten bundeseinheitlich vom 2. November bis zum 31. Januar 2021 und werden, je nachdem, wie sich das Pandemiegeschehen in Deutschland entwickelt, vom G-BA nochmals verlängert. Inhaltlich knüpft der G-BA an die bereits aus den Frühjahrsmonaten bewährten Ausnahmemöglichkeiten im Bereich der ärztlich verordneten Leistungen an. Die heute beschlossenen Regelungen ergänzen insbesondere die bereits geltenden Sonderregelungen im Bereich der ärztlich verordneten Leistungen: telefonische Krankschreibung bei leichten Atemwegserkrankungen (Oktober 2020) und Krankentransportfahrten von COVID-19-positiven Versicherten (seit Frühjahr 2020).
„Die Corona-Pandemie verlangt von uns allen, umsichtig und weitsichtig zu agieren. Nur zusammen werden wir die kommenden Wochen der Kontaktbeschränkungen erfolgreich meistern. Auch wenn es schwerfällt, das Gebot der Stunde ist jetzt, unnötige persönliche Kontakte in allen Bereichen zu vermeiden. Das gilt vor allem auch zum Schutz jener Menschen, die aufgrund von bestimmten Vorerkrankungen ein erhöhtes Risiko mitbringen, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Für die Gesundheitsversorgung heißt das nun: Wir müssen jene notwendigen Anstrengungen und Maßnahmen ergreifen, die das Infektionsrisiko verringern, ohne dass kranke Menschen auf wichtige Behandlungen verzichten müssen. Damit weder der Weg in eine Praxis noch der Aufenthalt dort zur Gefahr wird, sollen Ärztinnen und Ärzte Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege sowie Heil- und Hilfsmittel nach telefonischer Anamnese ausstellen können. Gleiches gilt für die Verordnung von Krankentransporten. Weitere Änderungen betreffen z. B. die Fragen, wie lange eine Verordnung gültig ist und wann sie bei der Krankenkasse vorgelegt werden muss. Zudem können bestimmte verordnete Leistungen aus dem Bereich der Heilmittelversorgung bis Ende Januar 2021 auch wieder als Videobehandlung angeboten werden. Wir sind sicher, dass diese Sonderregelungen nicht nur den Patientinnen und Patienten helfen, sondern auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der medizinischen Praxen, um die Anforderungen der Corona-Pandemie bestmöglich zu meistern“, so Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA.
Diese neuen Sonderregelungen werden vom 2. November 2020 bis zum 31. Januar 2021 die bereits bestehenden bundesweiten Ausnahmeregelungen ergänzen:
- Videobehandlung
Eine Behandlung kann auch als Videobehandlung stattfinden, wenn dies aus therapeutischer Sicht möglich ist und die Patientin oder der Patient damit einverstanden ist. Diese Regelung gilt für eine Vielzahl von Heilmitteln, die von Vertrags(zahn)ärztinnen und -ärzten verordnet werden können. Auch Soziotherapie und psychiatrische häusliche Krankenpflege können mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten per Video erbracht werden.
- Verordnungen nach telefonischer Anamnese
Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege, Hilfsmittel und Heilmittel dürfen auch nach telefonischer Anamnese ausgestellt werden. Vor-aussetzung ist, dass bereits zuvor aufgrund derselben Erkrankung eine unmittelbare persönliche Untersuchung durch die Ärztin oder den Arzt erfolgt ist. Die Verordnung kann dann postalisch an die Versicherte oder den Versicherten übermittelt werden.
Gleiches gilt für Verordnungen von Krankentransporten und Krankenfahrten. Sie sind ebenso aufgrund telefonischer Anamnese möglich.
- Verlängerung der Vorlagefrist für Verordnungen
Die Frist zur Vorlage von Verordnungen bei der Krankenkasse wird für häusliche Krankenpflege, spezialisierte ambulante Palliativversorgung und Soziotherapie von 3 Tagen auf 10 Tage verlängert.
- Erleichterte Vorgaben für Verordnungen
Heilmittel-Verordnungen bleiben auch dann gültig, wenn es zu einer Leistungsunterbrechung von mehr als 14 Tagen kommt. Darüber hinaus wurden die Vorgaben für bestimmte Fristen bei Verordnungen im Bereich der häuslichen Krankenpflege angepasst: Folgeverordnungen müssen nicht in den letzten 3 Arbeitstagen vor Ablauf des verordneten Zeitraums ausgestellt werden. Außerdem können Ärztinnen und Ärzte Folgeverordnungen für häusliche Krankenpflege für bis zu 14 Tage rückwirkend verordnen. Ebenfalls muss vorübergehend eine längerfristige Folgeverordnung von häuslicher Krankenpflege nicht begründet werden.
Der Beschluss tritt nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit Wirkung zum 2. November 2020 in Kraft.
Hintergrund
Der G-BA hatte in einem Grundlagenbeschluss vom 17. September 2020 festgelegt, welche Ausnahmeregelungen für ärztlich verordnete Leistungen aktiviert werden können, wenn es in einzelnen Regionen wieder zu steigenden Infektionszahlen durch das Coronavirus kommt und Schutzmaßnahmen greifen. Dabei setzen Ausnahmebeschlüsse nach § 9 Absatz 2a der Geschäftsordnung des G-BA Beschränkungskonzepte in sogenannten Risikogebieten voraus, die abhängig vom jeweiligen Landesrecht auf regionaler oder auf Landesebene beschlossen werden.
In seiner Plenumssitzung vom 15. Oktober 2020 hatte sich der G-BA darauf verständigt, auf Basis des genannten Grundlagenbeschlusses über die Aktivierung entsprechender Sonderregelungen für ärztlich verordnete Leistungen zu beraten und spätestens am 5. November 2020 hierzu zu beschließen. Angesichts der aktuellen Entwicklung des Infektionsgeschehens hat der G-BA es für notwendig gehalten, die regionalen Sonderregelungen nunmehr für alle 16 Bundesländer anzuwenden. Daher hat er keine regional begrenzten, sondern bundesweit geltende Sonderregelungen beschlossen. In Vorbereitung des Beschlusses konnten alle Bundesländer eine Stellungnahme abgeben.
Der Beschluss wurde aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände gemäß § 9 Absatz 2 Satz 4 Geschäftsordnung des G-BA im schriftlichen Abstimmungsverfahren gefasst. Das Bundesgesundheitsministerium als Aufsichtsinstanz ist vorab darüber informiert worden.