Pressemitteilung | Zahnärztliche Behandlung

G-BA regelt systematische Behandlung von Parodontitis mit neuer Richtlinie

Berlin, 17. Dezember 2020 – Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontalerkrankungen) können zukünftig von einer systematischen Diagnostik und Behandlung profitieren. Um auch bei schwierigen Erkrankungsverläufen optimale Therapieerfolge zu erreichen, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) heute die Befundung nach Stadium und Grad und die sich daraus ergebenden Behandlungsempfehlungen in einer neuen Richtlinie geregelt. Hiermit erweitere der G-BA das bestehende Leistungsangebot, das in erster Linie auf die Behandlung einer akuten Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates) ausgerichtet war.

„Parodontitis ist eine sehr weit verbreitete entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates, die meisten Erwachsenen leiden im Laufe ihres Lebens einmal oder sogar chronisch daran. Der G-BA führt mit seinem heutigen Beschluss eine systematische Diagnostik und Behandlung in die zahnärztliche Versorgung ein, alle Schritte entsprechen dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse. Ziel ist es, die Zähne langfristig in einem gesunden, funktionellen und schmerzfreien Zustand zu halten. Die neuen Leistungen können voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2021 erbracht beziehungsweise in Anspruch genommen werden,“ teilte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Zahnärztliche Behandlung mit.

Parodontitis und andere Parodontopathien

Der Begriff „Parodontopathien” fasst die vielfältigen Erkrankungen des Zahnhalteapparats, zu dem z. B. auch das Zahnfleisch gehört, zusammen. Bei der Parodontitis – eine der häufigsten Parodontopathien – handelt es sich um eine durch Bakterien hervorgerufene Entzündung. Ohne Behandlung nehmen Schwere und Ausmaß zu. Es kommt zu einem Abbauprozess im Zahn, genauer am Wurzelzement, und am Kieferknochen, an der Stelle, wo der Zahn mit der Wurzel gehalten wird. Die Zähne lockern sich, die Zahnstellung kann sich verändern, sogar ein Zahnverlust droht. Schätzungen zufolge leiden in Deutschland gut 53 Prozent der 35- bis 44-Jährigen an einer mittelschweren Parodontitis.

Systematische Diagnostik und Behandlung

Ziel der Behandlung von Parodontopathien ist es, entzündliche Veränderungen zum Abklingen zu bringen, um ein Fortschreiten der Erkrankung und damit einen Zahnverlust zu verhindern.

In der neuen Richtlinie des G-BA sind die einzelnen Schritte einer systematischen Diagnostik und Behandlung von Parodontopathien detailliert beschrieben. Festgelegt ist, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte vor der Therapieplanung Stadium und Grad der Erkrankung erheben und Risikofaktoren wie Diabetes mellitus oder Rauchen abklären müssen. Im anschließenden Aufklärungs- und Therapiegespräch werden auf Basis der Befunde die weiteren möglichen Schritte besprochen. Ebenfalls soll in diesem Gespräch vermittelt werden, wie notwendig es ist, dass Patientinnen und Patienten den Behandlungsprozess aktiv unterstützen. Dabei geht es neben der Vermeidung bestimmter Risikofaktoren, wie dem Tabakkonsum, insbesondere um eine gute allgemeine Mundhygiene. In Abhängigkeit von Stadium und Grad der Erkrankung sieht die Richtlinie verschiedene Ansätze vor: eine antiinfektiöse Therapie, eine Antibiotikatherapie oder chirurgische Eingriffe. Die Fortschritte in der Therapie und die Mitarbeit der Patientin oder des Patienten müssen zwischenzeitlich überprüft werden, um den Behandlungserfolg auch möglichst langfristig zu sichern.

Für Zahnärztinnen und Zahnärzte wichtig: Wie bisher auch in der Behandlungsrichtlinie bleiben die allgemeinen Regelungen zum Parodontitis-Screening mittels Parodontalem Screening Index (PSI) sowie die Definition des Umfangs der vertragszahnärztlichen Versorgung von parodontalen Erkrankungen, die nicht der systematischen Behandlung zuzuordnen sind, gleich. Hierbei geht es insbesondere um Akutformen der Parodontitis.

Inanspruchnahme voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2021

Die Beschlüsse zur Erstfassung der Richtlinie und zur Anpassung der geltenden Behandlungsrichtlinie werden dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorgelegt und treten nach Nichtbeanstandung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger am 1. Juli 2021 in Kraft.

Das neue Vorgehen zur systematischen Diagnostik und Behandlung von Parodontopathien kann von Zahnärztinnen und Zahnärzten erbracht werden, nachdem der Bewertungsausschuss der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes die Höhe der zahnärztlichen Vergütung festgelegt hat. Dies wird voraussichtlich ab dem dritten Quartal 2021 der Fall sein. Bis dahin können die bisherigen Leistungen zur Parodontitisbehandlung unverändert in Anspruch genommen werden.

Die systematische Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen gemäß der neuen Richtlinie muss von der gesetzlichen Krankenkasse des Patienten oder der Patientin vorab genehmigt werden. Das Nähere zur Vereinbarung über das Antrags- bzw. Genehmigungsverfahren wird im Bundesmantelvertrag – Zahnärzte (BMV-Z) geregelt.

Hintergrund: Beratungsverfahren zur systematischen Behandlung von Parodonthopathien

Das Beratungsverfahren zur systematischen Behandlung von Parodontopathien hatte der G-BA auf Antrag der Patientenvertretung eingeleitet. Die in der Behandlungsrichtlinie schon bestehenden Regelungen zu Diagnostik und Therapie bei Parodontitis sollten dahingehend überprüft werden, ob sie noch dem aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand entsprechen.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) recherchierte und bewertete im Auftrag des G-BA den aktuellen Wissensstand zur Diagnostik, Vorbehandlung, Therapie und Nachsorge von Parodontopathien und legte hierzu einen Abschlussbericht vor. Ergänzt wurde der Bericht durch eine Recherche der Fachberatung Medizin des G-BA zur strukturierten Nachsorge.


Beschlüsse zu dieser Pressemitteilung