Pressemitteilung | Methodenbewertung

Vermeidung unnötiger Anti-D-Prophylaxen bei rhesus-negativen Schwangeren: Vorgeburtliche Bestimmung des kindlichen Rhesusfaktors wird Kassenleistung

Berlin, 20. August 2020 – Schwangeren mit rhesus-negativem Blutgruppenmerkmal wird zukünftig ein sicheres Verfahren zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors aus mütterlichem Blut zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung angeboten. Diesen Beschluss fasste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag in Berlin. Bisher erhalten alle rhesus-negativen Schwangeren eine Anti-D-Prophylaxe. Die vorgeburtliche Rhesusfaktorbestimmung ermöglicht nun eine gezielte Prophylaxe nur für Schwangere, die diese benötigen, das heißt mit einem rhesus-positiven Kind. Die medizinisch unnötige Gabe von Immunglobulinen an Schwangere, die ein rhesus-negatives Kind erwarten, kann vermieden werden.

„Die neue Möglichkeit einer vorgeburtlichen Rhesusfaktorbestimmung ist für jene Frauen relevant, die selbst rhesus-negativ sind – hier besteht die potentielle Gefahr einer Unverträglichkeit zwischen dem mütterlichen und dem kindlichen Blut. Geschätzt 30 bis 40 Prozent aller rhesus-negativen Frauen erwarten jedoch ein rhesus-negatives Kind, Anti-D-Antikörper werden also nicht gebildet. Bei diesen Schwangeren kann, sofern sie die Rhesusfaktorbestimmung in Anspruch nehmen, zukünftig auf eine Anti-D-Prophylaxe verzichtet werden“, erläuterte Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Methodenbewertung.

Medizinische Notwendigkeit einer Anti-D-Prophylaxe bei rhesus-negativen Schwangeren

Der Rhesusfaktor RhD ist ein Blutgruppenmerkmal, er wird auch Antigen D genannt. Menschen mit diesem Merkmal sind „rhesus-positiv“. Fehlt das Merkmal, sind sie „rhesus-negativ“. Erwartet eine rhesus-negative Frau ein rhesus-positives Kind, kann das mütterliche Blut Abwehrstoffe (Anti-D-Antikörper) bilden. In den meisten Fällen kommt es erst während der Geburt zur Übertragung von kindlichem Blut in den Blutkreislauf der Mutter, so dass für das erste Kind häufig keine Gefahr besteht. Wird die Mutter jedoch erneut mit einem rhesus-positiven Kind schwanger, können ihre Antikörper in den Blutkreislauf des Ungeborenen gelangen, seine Entwicklung schwer beeinträchtigen und sogar lebensbedrohlich für das Kind sein.

Bislang wird allen rhesus-negativen Frauen während der Schwangerschaft zu einer Behandlung mit speziellen Anti-D-Immunglobulinen geraten, die aus menschlichem Spenderblut hergestellt werden. Diese generelle Gabe war bisher angezeigt, da der Rhesusfaktor des Kindes während der Schwangerschaft nicht ohne weiteres bestimmt werden konnte und erst nach der Geburt festgestellt wurde, ob das Kind rhesus-positiv ist.

Neue Möglichkeit zur vorgeburtlichen Bestimmung des kindlichen Rhesusfaktors

Rhesus-negative Schwangere werden von ihrer Gynäkologin oder ihrem Gynäkologen zukünftig über die Möglichkeit informiert, zur Vermeidung einer unnötigen Anti-D-Prophylaxe den Rhesusfaktor ihres Kindes bereits vor der Geburt bestimmen zu lassen. Eine Ausnahme besteht lediglich für Schwangere, die Mehrlinge erwarten, da hier die vorhandene Studienlage nicht ausreicht, um festzustellen, ob der Test hinreichend zuverlässig ist.

Für die vorgeburtliche Bestimmung des kindlichen Rhesusfaktors wird eine Blutprobe der schwangeren Frau benötigt. Das mütterliche Blut enthält Erbmaterial des Kindes, das mithilfe eines Testverfahrens – der molekulargenetischen Analyse zellfreier fetaler DNA – analysiert wird. Ein solcher Test soll frühestens ab der 12. Schwangerschaftswoche zur Anwendung kommen, und es dürfen nur solche Tests verwendet werden, deren hohe Testgüte durch Studien belegt ist.

Da es sich bei der vorgeburtlichen Rhesusfaktorbestimmung aus der Blutprobe der Schwangeren um eine genetische Untersuchung handelt, gelten für die ärztlichen Aufklärungs- und Beratungsverpflichtungen die Vorgaben des Gendiagnostikgesetzes. Zudem stellt der G-BA eine Versicherteninformation zur Verfügung.

Inkrafttreten des Beschlusses

Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Leistungen können erbracht werden, nachdem der Bewertungsausschuss über die Höhe der Vergütung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab entschieden hat.

Hintergrund – Vorgeburtlichen Bestimmung des Rhesusfaktors des Kindes im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft

In den Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien) sind Art, Umfang und Voraussetzungen der Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt. Die Überprüfung, ob eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode nach dem wissenschaftlichen Stand der Erkenntnisse in die Mutterschafts-Richtlinien aufzunehmen ist, erfolgt im Rahmen eines sogenannten Methodenbewertungsverfahrens. Hierbei bewertet der G-BA den Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit.

Mit Beschluss vom August 2016 leitete der G-BA ein Beratungsverfahren zur nichtinvasiven Bestimmung des Rhesusfaktors beim ungeborenen Kind ein. Ziel war es festzustellen, ob mittels eines nichtinvasiven Testverfahrens, bei dem durch die molekulargenetische Analyse zellfreier fetaler DNA aus dem mütterlichen Blutplasma der Rhesusfaktor des Ungeborenen bestimmt wird, eine unnötige Anwendung von humanem Immunglobulin vermieden werden kann. Mit der Gabe verbunden sind sehr geringe Risiken für allergische Reaktionen und die Übertragung von Infektionen.

Das IQWiG legte im Juni 2018 seinen Abschlussbericht zum aktuellen Erkenntnisstand vor.


Beschluss zu dieser Pressemitteilung

Mutterschafts-Richtlinien: Nichtinvasive Pränataldiagnostik zur Bestimmung des fetalen Rhesusfaktors