Corona-Hotspots in NRW: G-BA beschließt regionale Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit für die Kreise Gütersloh und Warendorf
Berlin, 26. Juni 2020 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat als Reaktion auf das besondere Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen für die Landkreise Gütersloh und Warendorf eine regionale Ausnahmeregelung bei der Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Vertragsärztinnen und -ärzte beschlossen. Befristet bis zum 14. Juli 2020 können Vertragsärztinnen und -ärzte mit Sitz in den beiden Landkreisen die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten für einen Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen auch allein aufgrund telefonischer Befunderhebung feststellen. Voraussetzung ist, dass die Versicherten an einer Erkrankung der oberen Atemwege ohne schwere Symptomatik leiden. Ärztinnen und Ärzte müssen sich dabei persönlich vom Zustand der Patientin oder des Patienten durch eine eingehende telefonische Befragung überzeugen. Eine fortdauernde Krankschreibung nach telefonischen Befunderhebung kann einmalig für einen weiteren Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen ausgestellt werden. Die am Freitag in Berlin beschlossene Regelung gilt rückwirkend ab dem 23. Juni 2020.
„Der G-BA hat mit zahlreichen Sonderregelungen dazu beigetragen, unnötige Patienten-Arzt-Kontakte zu vermeiden und Infektionsrisiken zu vermindern. Zusätzlich haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um auf aktuelle Entwicklungen des Infektionsgeschehens in einzelnen Regionen zielgenau und schnell reagieren zu können – so, wie es jetzt in den Landkreisen Gütersloh und Warendorf erforderlich geworden ist. Erklärtes Ziel der aktuell beschlossenen befristeten Ausnahmeregelung zur telefonischen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in den Corona-Hotspots ist es erneut, durch die Verringerung direkter Kontakte das Übergreifen der Infektionen auf weite Teile der Bevölkerung zu vermeiden“, sagte Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, am Freitag in Berlin.
Unabhängig von der Ausnahmeregelung zur telefonischen Befunderhebung gilt, dass Versicherte bei typischen COVID-19-Symptomen, nach Kontakt zu COVID-19-Patienten und bei unklaren Symptomen von Infektionen der oberen Atemwege vor dem Arztbesuch telefonisch Kontakt zur Praxis aufnehmen und das weitere Vorgehen besprechen.
Der Beschluss wurde aufgrund des Vorliegens besonderer Umstände gemäß § 9 Absatz 2 Satz 4 Geschäftsordnung des G-BA im schriftlichen Abstimmungsverfahren gefasst. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger mit Wirkung vom 23. Juni 2020 in Kraft.
Hintergrund
Das Land Nordrhein-Westfalen hat am 23. Juni 2020 für die Landkreise Gütersloh und Warendorf aufgrund der hohen Infektionszahlen bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Schlachtbetriebs mit dem Erreger Covid-19 weitreichende Beschränkungen in öffentlichen und privaten Bereichen erlassen. Daraufhin beantragte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Einvernehmen mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfahlen am 24. Juni 2020 beim G-BA eine regional begrenzte Ausnahmeregelung für die Landkreise Gütersloh und Warendorf, die zunächst befristet für einen Zeitraum von drei Wochen die Möglichkeit der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach nur telefonischer Anamnese für dort ansässige Vertragsärztinnen und -ärzte eröffnet.
Der G-BA legt in seiner Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) fest, welche Regeln für die Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit von Versicherten durch Vertragsärztinnen und -ärzte sowie im Rahmen des Entlassmanagements aus dem Krankenhaus gelten. Grundsätzlich gilt, dass die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung der Bescheinigung nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf.
Mit einem Beschluss vom 28. Mai 2020 hat der G-BA seine Geschäftsordnung um ein Verfahren ergänzt, mit dem er auf regional begrenzte Handlungsbedarfe im Pandemiegeschehen reagieren und räumlich begrenzte Ausnahmen von seinen Richtlinienbestimmungen beschließen kann. Erklärtes Ziel ist die Eindämmung und Bewältigung der Infektionen und/oder der Schutz der Einrichtungen der Krankenversorgung vor Überlastung. Die Ausnahmen sind räumlich begrenzt und zeitlich befristet, ihr Inhalt und Umfang bestimmt sich nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Einen Antrag auf Ausnahmen von Rechtsnormen aufgrund von regionalen pandemischen Beschränkungskonzepten können die betroffene Gebietskörperschaft des zuständigen Landes, die Unparteiischen Mitglieder des G-BA, die Trägerorganisationen oder die anerkannten Patientenorganisationen stellen.