Neue Richtlinie zur Qualitätssicherung: Frühestmögliche Versorgung einer hüftgelenknahen Femurfraktur
Berlin, 22. November 2019 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Freitag in Berlin Vorgaben für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur („Oberschenkelhalsbruch“) beschlossen. Mit verbindlichen Standards zu Struktur, Personal und Verfahrensabläufen soll vor allem sichergestellt werden, dass die betroffenen Patientinnen und Patienten künftig in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme oder nach Auftreten eines Inhouse-Sturzes operiert werden können, sofern ihr Allgemeinzustand dies zulässt. Eine frühzeitige Operation ist für die Heilungschancen ein wesentliches Kriterium.
Seit Jahren zeigt die im Auftrag des G-BA erstellte Bundesauswertung der externen stationären Qualitätssicherung („Qualitätsreport“) des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) Qualitätsmängel beim Indikator „Präoperative Verweildauer bei der Versorgung einer hüftgelenknahen Femurfraktur“. Das IQTIG stellt hier bundesweit einen besonderen Handlungsbedarf fest. Der G-BA trägt diesem Umstand mit der Erstfassung seiner Richtlinie zu Mindestanforderungen an die Struktur- und Prozessqualität der Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur Rechnung.
Das IQTIG gibt auf seiner Website zur aktuellen Bundesauswertung folgende Informationen zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur:
„Ein Bruch (Fraktur) im oberen, dem Hüftgelenk zugewandten Teil des Oberschenkelknochens (Femur) wird als hüftgelenknahe Femurfraktur bezeichnet. Diese Brüche sind meist unfallbedingt. Hüftgelenknahe Femurfrakturen sind eine typische und häufige Verletzung älterer Menschen. Gründe dafür sind die meist im Alter abnehmende Festigkeit der Knochensubstanz, Knochenschwund (Osteoporose) und gleichzeitig eine zunehmende Bewegungsunsicherheit. Von den jährlich etwa 120.000 Brüchen entfallen ca. 80 Prozent auf Menschen, die 70 Jahre und älter sind. Bei der operativen Behandlung einer hüftgelenknahen Femurfraktur unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Methoden: einer hüftkopferhaltenden (osteosynthetischen) und einer hüftkopfersetzenden (endoprothetischen) Methode. Ziel ist bei beiden Verfahren eine möglichst schnelle und komplikationslose Wiederherstellung der Mobilität und der körperlichen Belastbarkeit der Patienten. Gerade für ältere Menschen ist die schnelle Genesung sehr wichtig, weil sonst ein Verlust der Selbstständigkeit bis hin zur dauerhaften Pflegebedürftigkeit eintreten kann.“
Wesentliche Inhalte der Richtlinie
Mindestanforderungen an die Prozessqualität, Standard Operating Procedures (SOP)
Krankenhäuser, die künftig die Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur anbieten wollen, sind verpflichtet, unverzüglich nach Aufnahme einer Patientin oder eines Patienten mit einer entsprechenden Diagnose die weitere Versorgung zu planen. Ziel ist es, dass die operative Versorgung in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme oder Auftreten eines Inhouse-Sturzes erfolgt, sofern es der Allgemeinzustand der Patientin oder des Patienten zulässt. Krankenhausinterne Standardabläufe sollen dabei helfen, den typischen Hindernissen, die einer operativen Versorgung der Patientin oder des Patienten innerhalb von 24 Stunden erfahrungsgemäß oftmals entgegenstehen, zu begegnen. Die neue Richtlinie sieht deshalb vor, dass von den Krankenhäusern verbindliche, interdisziplinär abgestimmte, schriftliche und jederzeit verfügbare Standardabläufe (Standard Operating Procedures – SOP) einzuführen sind. Die SOP müssen dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens entsprechen. Krankenhäuser müssen für die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur mindestens SOP zu folgenden Situationen und Entscheidungsbedarfen vorhalten:
- SOP „Besondere Situationen der Einwilligungsfähigkeit“
- SOP „Perioperative Planung: Priorisierung von Eingriffen, Planung von OP-Kapazitäten, Planung von OP-Teams“
- SOP „Operationsverfahren“
- SOP „Umgang mit gerinnungshemmender Medikation“
- SOP „Patientenorientiertes Blutmanagement (PBM)“
- SOP „Ortho-geriatrische Zusammenarbeit für Patienten mit positivem geriatrischen Screening“
- SOP „Physiotherapeutische Maßnahmen“
Nachweisverfahren, Folgen der Nichteinhaltung der Mindestanforderungen und Dokumentationspflichten
Krankenhäuser müssen standortbezogen nachweisen, ob sie die Mindestanforderungen der Richtlinie – einschließlich der ggf. zum Zeitpunkt des Nachweises vorliegenden Abweichungen – erfüllen. Der Nachweis hat stichtagsbezogen gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen zu erfolgen. Kann ein Krankenhaus einzelne Mindestanforderungen länger als 48 Stunden nicht einhalten, muss dies den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen unverzüglich angezeigt werden. Wenn die Mindestanforderungen nicht erfüllt werden, darf die Versorgung von Patienten mit einer hüftgelenknahen Femurfraktur in der Einrichtung über die Diagnostik und Erstversorgung hinaus nicht erfolgen. Ein Krankenhaus, das die Mindestanforderungen nicht erfüllt, hat keinen Vergütungsanspruch.
Strukturabfrage, Evaluation, Inkrafttreten der Richtlinie
Der G-BA wird sich mit Hilfe einer jährlichen Strukturabfrage einen Überblick über die Erfüllung der Mindestanforderungen in den einzelnen Krankenhausstandorten verschaffen.
Der G-BA beauftragt das IQTIG, die Auswirkungen dieser Richtlinie sowie die Erreichung der Ziele qualitativ und quantitativ jährlich über einen Zeitraum von 5 Jahren zu evaluieren. Gegenstand der Evaluation sind darüber hinaus die Anwendung der SOP in den Krankenhäusern sowie die Untersuchung der Fragestellung ob, wie viele und warum Leistungen in Krankenhäusern erbracht worden sind, obwohl die Mindestanforderungen nicht erfüllt wurden.
Der Beschluss tritt nach Nichtbeanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Veröffentlichung im Bundesanzeiger zum 1. Juli 2020 in Kraft.
Beschluss zu dieser Pressemitteilung
Richtlinie zur Versorgung der hüftgelenknahen Femurfraktur: Erstfassung