Erprobungsstudie soll offene Frage des Nutzens der Liposuktion bei Lipödem beantworten: G-BA beauftragt wissenschaftliche Institution mit Studienbegleitung
Berlin, 18. April 2019 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das gesetzlich vorgesehene, europaweite Ausschreibungsverfahren zur Erprobung der Liposuktion bei Lipödem abgeschlossen. Das Zentrum für Klinische Studien (ZKS) der Universität zu Köln wurde gemeinsam mit der Hautklinik des Klinikums Darmstadt beauftragt, die geplante Studie wissenschaftlich zu begleiten und die Ergebnisse auszuwerten. Mit der Erprobungsstudie soll die Frage beantwortet werden, welchen Nutzen die Liposuktion bei Lipödem im Vergleich zu einer alleinigen nichtoperativen Behandlung hat. Zudem sollen weitere Erkenntnisse zu den Risiken und möglichen Komplikationen der Methode gewonnen werden. Der G-BA geht davon aus, dass die ersten Patientinnen voraussichtlich zu Beginn des nächsten Jahres in die Studie aufgenommen werden können.
Das ZKS Köln/Klinikum Darmstadt wird nun im ersten Schritt das Studienprotokoll erstellen und die für den Start der Studie notwendigen behördlichen Genehmigungen sowie ein positives Votum der Ethikkommission(en) einholen.
In Vorbereitung auf die Studie ist das ZKS Köln/Klinikum Darmstadt zudem beauftragt, diejenigen Studienzentren auszuwählen, die die vom G-BA in der Erprobungsrichtlinie festgelegten Anforderungen erfüllen. Dabei muss es sich um nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser beziehungsweise um an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte handeln. Die Studienzentren nehmen dann die geeigneten Patientinnen in die Studie auf und führen die Behandlung und Nachbeobachtung durch.
Für Patientinnen, die an der Studie teilnehmen möchten, wird bei der Auswahlentscheidung eine ermessensfehlerfreie Berücksichtigung sichergestellt – dies entspricht den höchstrichterlichen Anforderungen des Bundessozialgerichts. Vorgesehen ist eine zentrale Anmeldestelle, an die sich Teilnahmeinteressierte innerhalb eines bestimmten Zeitfensters wenden können. Die Krankenkassen werden ihre Versicherten informieren, sobald die zentrale Anmeldestelle ihre Arbeit aufgenommen hat und die Möglichkeit einer Anmeldung besteht. Eine Anmeldung an der Studie über das ZKS Köln/Klinikum Darmstadt oder die Studienzentren wird nicht möglich sein.
Die Patientinnen werden von Seiten der zentralen Anmeldestelle einem der Studienzentren zugeteilt. Das jeweilige Studienzentrum kontaktiert dann die Patientin zur Vereinbarung eines Vorstellungs- und Untersuchungstermins. Über die definitive Studienteilnahme einer Patientin entscheiden die verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte an den Studienzentren.
Die im Rahmen der Studie erbrachten und verordneten Krankenbehandlungsleistungen werden unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Für noch nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasste Leistungen ist die Vergütung innerhalb von drei Monaten auf Landesebene zu vereinbaren.
Nach Abschluss der Studie wertet das ZKS Köln/Klinikum Darmstadt die erhobenen Daten aus und legt dem G-BA einen Abschlussbericht zu den Studienergebnissen vor. Der G-BA prüft im anschließenden Bewertungsverfahren, ob die neuen Studienergebnisse den Nutzen der Behandlungsmethode ausreichend belegen. Über ein schriftliches und mündliches Stellungnahmeverfahren zur vorgesehenen Richtlinienänderung werden weitere wissenschaftliche Erkenntnisse eingeholt.
Hintergrund: Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems
Beim Lipödem handelt es sich um eine massive Fettverteilungsstörung an den Extremitäten. Zusätzlich bestehen vermehrte Wassereinlagerungen in den betroffenen Körperregionen. Das Lipödem tritt nahezu ausschließlich bei Frauen auf. Weil es erst seit dem Jahr 2017 eine stadienspezifische Codierung für die Erkrankung gibt, liegen zur Erkrankungshäufigkeit derzeit noch keine gesicherten Daten vor.
Da die Ursache des Lipödems bisher unbekannt ist, zielt die in der Regel lebenslang anzuwendende konservative Therapie wie Lymphdrainage, Kompression und Bewegungstherapie auf eine Linderung der Beschwerden ab. Die bestehende Fettvermehrung kann hiermit jedoch nicht beeinflusst werden. Die Liposuktion ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem das krankheitsbedingt vermehrte Fettgewebe entfernt wird. In der Regel müssen die Betroffenen für eine Behandlung mehrmals operiert werden.
Das Verfahren zur Bewertung des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Liposuktion bei Lipödem geht auf einen Beratungsantrag der Patientenvertretung im G-BA zurück. Im Juli 2017 hat der G‑BA wegen der problematischen Studienlage den Beschluss gefasst, die Bewertung auszusetzen und eine Studie zur Verbesserung der Erkenntnislage auf den Weg zu bringen. Die Eckpunkte der Studie hat der G-BA in der entsprechenden Erprobungs-Richtlinie festgelegt.
Entsprechend den vom G-BA beschlossenen Studieneckpunkten können Patientinnen an der Studie teilnehmen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, bei denen ein Lipödem der Beine im Stadium I, II oder III diagnostiziert wurde und eine konservative Behandlung die Beschwerden nicht ausreichend lindert. Ausschlussgründe sind eine allgemeine Adipositas, andere ödemverursachende Erkrankungen, Fettverteilungsstörungen anderer Genese sowie die Ablehnung der Patientin, konservativ behandelt zu werden. Die weiteren Ein- und Ausschlusskriterien wie Vor- oder Begleiterkrankungen werden von der beauftragten unabhängigen wissenschaftlichen Institution, dem ZKS Köln/Klinikum Darmstadt, festgelegt.
Das Instrument der Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit Potenzial, deren Nutzen noch nicht belegt ist, hat der Gesetzgeber im Jahr 2012 eingeführt. Weisen wissenschaftliche Erkenntnisse darauf hin, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative hat, kann der G-BA eine Erprobungsstudie initiieren und sie finanziell fördern. Rechtsgrundlage hierfür ist § 137e SGB V.
Die Erprobungsstudie wird unbenommen von der am 21. Februar 2019 beschlossenen Wiederaufnahme der Beratungen zur Liposuktion beim Lipödem Stadium III durchgeführt. Im Zuge der Wiederaufnahme ist der Unterausschuss Methodenbewertung des G-BA beauftragt worden, Beschlussentwürfe zur Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung und der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung – verbunden mit besonderen Qualitätsanforderungen, Nachbeobachtungs- und Dokumentationspflichten – vorzubereiten. Geplant ist, dass das Plenum am 19. September 2019 die Beschlüsse zur Liposuktion beim Lipödem Stadium III trifft.