Pres­se­mit­tei­lung | Arznei­mittel

Postexpositions-​Prophylaxe: Einsatz anti­re­tro­vi­raler Arznei­mittel in der Früh­the­rapie einer HIV-​Infektion

Berlin, 17. April 2018 – Vor dem Hinter­grund bestehender Unsi­cher­heiten in der Versor­gung, ob die Anwen­dung anti­re­tro­vi­raler Arznei­mittel in der soge­nannten Postexpositions-​Prophylaxe der Infek­tion mit dem Humanen Immundefizienz-​Virus (HIV) im Rahmen der arznei­mit­tel­recht­li­chen Zulas­sung erfolgt, hat der zustän­dige Unter­aus­schuss Arznei­mittel des Gemein­samen Bundes­aus­schusses (G-BA) über eine mögliche Beauf­tra­gung der Exper­ten­gruppen Off-​Label beraten.

Nach Auskunft der zustän­digen Zulas­sungs­be­hörde, dem Bundes­in­stitut für Arznei­mittel und Medi­zin­pro­dukte (BfArM), besteht für keines der in Betracht zu ziehenden anti­re­tro­vi­ralen Arznei­mittel eine expli­zite Zulas­sung zur post­ex­po­si­tio­nellen Prophy­laxe.

Eine anti­re­tro­vi­rale Therapie hingegen kann zulas­sungs­kon­form in jedem Stadium einer HIV-​Infektion begonnen werden. Es wird daher disku­tiert, ob mit post­ex­po­si­tio­nell appli­zierten anti­re­tro­vi­ralen Arznei­mit­teln in den Fällen, in denen von einer HIV-​Infektion ausge­gangen werden muss, sinn­gemäß eine Früh­the­rapie einge­leitet wird, die keinen zulas­sungs­über­schrei­tenden Einsatz (sog. Off-​Label-Use) der in Frage kommenden Arznei­mittel darstellt. Maßgeb­lich für die Frage, ob es sich poten­ziell um eine Früh­the­rapie handelt, ist die Einschät­zung des Risikos, ob es bei der Expo­si­tion zu einer Über­tra­gung von HI-​Viren gekommen ist.

Zur Beur­tei­lung der Wirk­sam­keit einer Postexpositions-​Prophylaxe kann dabei aber nicht auf prospek­tive kontrol­lierte rando­mi­sierte Studien zurück­ge­griffen werden, da diese aus ethi­schen und prak­ti­schen Erwä­gungen nicht durch­führbar sind. Dennoch wird aufgrund von retro­spektiv erho­benen Daten die Einlei­tung einer Post-​Expositionsprophylaxe bei hohem Risiko für eine erfolgte HIV-​Infektion als medi­zi­nisch sinn­voll ange­sehen.

„Um vor einer labor­dia­gnos­ti­schen Bestä­ti­gung der HIV-​Infektion eine solche gesi­cherte Indi­ka­ti­ons­stel­lung zu gewähr­leisten, finden sich beispiels­weise in der gemein­samen Leit­linie der Deut­schen und Öster­rei­chi­schen AIDS-​Gesellschaft konkrete Hand­lungs­an­lei­tungen zur Erhe­bung des Infek­ti­ons­ri­sikos und dessen Evalua­tion", so der Vorsit­zende des G-BA, Prof. Josef Hecken.

Ange­sichts dieser Daten­lage, der den Ärztinnen und Ärzten im jewei­ligen Einzel­fall oblie­genden Einschät­zung und der nicht gene­ra­li­sier­baren Abgren­zung des zulas­sungs­kon­formen Einsatzes anti­re­tro­vi­raler Arznei­mittel hat der Unter­aus­schuss Arznei­mittel entschieden, keine Beauf­tra­gung der Exper­ten­gruppen mit einer gene­rellen Bewer­tung dieser Frage­stel­lung vorzu­sehen.

Hinter­grund: Einsatz anti­re­tro­vi­raler Arznei­mittel bei einer mögli­chen HIV-​Infektion

Infi­ziert sich eine Pati­entin oder ein Patient mit HI-​Viren kann dies mit mole­ku­lar­bio­lo­gi­schen Methoden erst etwa zwei Wochen nach der Über­tra­gung nach­ge­wiesen werden. Muss mit hoher Wahr­schein­lich­keit davon ausge­gangen werden, dass eine Infek­tion mit dem HI-​Virus statt­ge­funden hat, werden anti­re­tro­vi­rale Medi­ka­mente mit dem Ziel einge­setzt, die Infek­tion zu blockieren und somit eine Chro­ni­fi­zie­rung zu vermeiden.