Differenzierte Bewertung neuer Krebsmedikamente – wichtige Entscheidungshilfe für Ärzte und Patienten
Berlin, 20. Oktober 2016 – Mit Beschlüssen zu den Wirkstoffen Afatinib, Nivolumab und Ramucirumab zur Behandlung von Lungen-, Nieren- und Magenkrebs hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag in Berlin seit Beginn der Zusatznutzenbewertung gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) insgesamt 60 Verfahren zur Bewertung von onkologischen Wirkstoffen abgeschlossen und diese differenziert bewertet.
Dazu erklärte der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken: „Mit den bisher gefassten G-BA-Beschlüssen zu neuen onkologischen Wirkstoffen stehen Patienten und Ärzten sehr genaue Informationen zu den Nutzenprofilen dieser Arzneimittel zur Verfügung. Dies ermöglicht, für die individuellen Bedürfnisse schwer kranker Patienten passende Therapieentscheidungen zu treffen. Wenn beispielsweise bei der Behandlung einer Krebserkrankung im fortgeschrittenen Stadium ein kleiner Überlebensvorteil von ein bis zwei Monaten erwartet werden kann, zugleich aber schwere Nebenwirkungen signifikant zunehmen, muss eine sehr gründliche Abwägung auch nach Maßgabe der Patientenpräferenz erfolgen, gerade auch in Hinblick auf die Lebensqualität. Der Blick auf die Ergebnisse der neuen Wirkstoffe gegen Krebserkrankungen zeigt eine insgesamt positive Bilanz. Für 13 neue Anwendungsgebiete konnte allerdings kein Zusatznutzen zuerkannt werden. Gründe dafür können die fehlenden Studiendaten, die vergleichenden positiven und negativen Ergebnisse zur Standardtherapie und auch die fehlenden Daten zur Lebensqualität sein. Aber: Ein fehlender Zusatznutzen ist kein Grund für einen Verordnungsausschluss. Ein höherer Preis als für die Vergleichstherapien ist ohne Zusatznutzen jedoch nicht gerechtfertigt.“
Zu den Beschlüssen im Einzelnen:
Afatinib wird als Monotherapie für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms mit Plattenepithel-Histologie nach einer Platin-basierten Chemotherapie angewendet. Der pharmazeutische Unternehmer hatte keine Vergleichsstudie mit Docetaxel vorgelegt, die eingereichten Daten waren nicht geeignet, einen Zusatznutzen gegenüber dieser Vergleichstherapie zu bestimmen. Der G-BA hat daher für Afatinib in dieser Indikation keinen Zusatznutzen beschlossen.
Nivolumab wird zur Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms nach vorheriger Chemotherapie angewendet. Die Zusatznutzenbewertung erfolgte auf der Grundlage von Studiendaten gegenüber der Vergleichstherapie Docetaxel. Daten zu den Endpunkten Mortalität, Krankheitssymptome und Nebenwirkungen lagen vor. Nivolumab führte im Mittel zu einer Verlängerung der Lebensdauer von 2,8 Monaten sowie einer Verringerung von schwerwiegenden Nebenwirkungen sowie Therapieabbrüchen. Zur Lebensqualität lagen keine relevanten Daten für eine Bewertung vor. Der G-BA bestimmte auf dieser Grundlage für die Patientengruppe, für die eine Therapie angezeigt ist, einen beträchtlichen Zusatznutzen.
Nivolumab wird außerdem zur Behandlung des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms nach Vortherapie angewendet. Die Bewertung des Zusatznutzens erfolgte gegenüber der Vergleichstherapie Everolimus. Nivolumab konnte im Mittel die Lebensdauer der Patienten um 5,4 Monate verlängern, positive Effekte konnten auch hinsichtlich der Milderung von Symptomen und der Verringerung schwerer Nebenwirkungen gezeigt werden. Der G-BA bestimmte auch für diese Patientengruppe einen beträchtlichen Zusatznutzen.
Ramucirumab wird in Kombination mit Paclitaxel oder als Monotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Adenokarzinoms des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs mit Tumorprogress nach einer Vortherapie angewendet. Die Studien zeigten, dass in der Kombinationstherapie gegenüber dem Komparator Paclitaxel im Mittel eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um 2,2 Monate erzielt wurde. Auch hinsichtlich der Lebensqualität konnte ein Vorteil festgestellt werden. Demgegenüber traten häufiger Nebenwirkungen auf. In der Gesamtbewertung stellt der G-BA für diese Patientengruppe einen geringen Zusatznutzen von Ramucirumab fest. Er berücksichtigt dabei das fortgeschrittene Krankheitsstadium und die insgesamt schlechte Prognose der Patienten.
Verfahren zur Bewertung von Wirkstoffen zur Behandlung onkologischer Erkrankungen (nach § 35a SGB V) – jeweils höchste Zusatznutzenkategorie (Stand: 20.10.2016)