Zusatznutzen von Glybera® (Wirkstoff: Alipogentiparvovec) nicht quantifizierbar
Berlin, 21. Mai 2015 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am Donnerstag in Berlin das Ausmaß des gesetzlich unterstellten Zusatznutzens von Glybera®, einem Arzneimittel zur Behandlung einer seltenen Stoffwechselerkrankung (Lipoproteinlipasedefizienz - LPLD), als nicht quantifizierbar eingestuft. Die vom pharmazeutischen Hersteller vorgelegten wissenschaftlichen Daten ließen nach der Bewertung des G-BA eine belastbare fachliche Aussage über das Ausmaß des Zusatznutzens nicht zu.
Für Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens (Orphan Drugs) gilt der Zusatznutzen bis zum Erreichen einer Umsatzgrenze von 50 Millionen Euro aufgrund einer gesetzlichen Regelung als belegt. Solange für das Arzneimittel rechtswirksam eine Zulassung vorliegt, ist demnach − unabhängig von der dem G-BA vorliegenden Daten- und Erkenntnislage − ein Zusatznutzen für Glybera® zu unterstellen. Der G-BA kann im Ergebnis seiner Nutzenbewertung lediglich über das Ausmaß des Zusatznutzens entscheiden. Erst wenn der Umsatz des Arzneimittels mit der gesetzlichen Krankenversicherung einen Umsatz von 50 Millionen Euro übersteigen würde, könnte überprüft werden, ob der rechtlich zu unterstellende Zusatznutzen tatsächlich besteht.
Mit Beschluss vom 16. April und 7. Mai 2015 hatte der G-BA eine Entscheidung über die Nutzenbewertung von Glybera® zunächst zurückgestellt. Hintergrund war der Bericht des Rapporteurs der europäischen Zulassungsbehörde EMA, wonach nach Auswertung der Follow-Up-Daten aus dem Jahr 2014 ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Wirkstoff bestehe. Das zuständige Beschlussgremium der EMA hatte sich in der Folge zwar mit dem Rapporteursbericht befasst, jedoch noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Um weitere Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit zu gewinnen, hatte die EMA bereits mit der Zulassung den Hersteller verpflichtet, ein Krankheitsregister zu etablieren, das alle mit Glybera® behandelten Patienten erfasst. Da von weiteren Datennachforderungen der EMA bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit von Glybera® auszugehen ist, hat der G-BA die Geltungsdauer seines Beschlusses bis zum 1. Juni 2016 befristet. Zu diesem Zeitpunkt wird eine erneute Nutzenbewertung eingeleitet.
Zudem sieht der Beschluss weitreichende qualitätssichernde Anforderungen in der Anwendung dieser Gentherapie vor.
Der Beschluss tritt mit Wirkung vom Tag seiner Veröffentlichung auf der Internetseite des Gemeinsamen Bundesausschusses am 21. Mai 2015 in Kraft. Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden ebenfalls im Internet veröffentlicht.
Hintergrund
Der G-BA hat auf der Grundlage des Dossiers des pharmazeutischen Unternehmers die Nutzenbewertung von Glybera® durchgeführt und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Bewertung der Angaben des pharmazeutischen Unternehmers in Modul 3 des Dossiers zu Therapiekosten und Patientenzahlen beauftragt. Die Nutzenbewertung wurde am 2. Februar 2015 zusammen mit der Bewertung des IQWiG auf den Internetseiten des G-BA veröffentlicht und damit das schriftliche Stellungnahmeverfahren eingeleitet. Es wurde zudem eine mündliche Anhörung durchgeführt.
Seit dem 1. Januar 2011 hat der G-BA die gesetzliche Aufgabe, den Nutzen von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen sofort nach Marktzutritt zu bewerten (§ 35a SGB V). Bei Arzneimitteln mit erwiesenem Zusatznutzen verhandeln der GKV-Spitzenverband und das jeweilige pharmazeutische Unternehmen innerhalb von sechs Monaten einen Erstattungsbetrag für die GKV als Rabatt auf den ursprünglichen, durch das Unternehmen selbst festgelegten Abgabepreis.
Den Auftrag zur frühen Nutzenbewertung erhielt der G-BA über das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG). Es verpflichtet pharmazeutische Unternehmen, bereits zur Markteinführung eines neuen Produktes in Deutschland beziehungsweise bei der Zulassung neuer Anwendungsgebiete ein Dossier zum Nutzen des Präparates vorzulegen.