Presse­mit­teilung | Arznei­mittel

Frühe Nutzen­be­wertung: Beträcht­licher Zusatz­nutzen für Wirkstoff gegen chronische Hepatitis C

Berlin, 17. Juli 2014 – Dem Wirkstoff Sofosbuvir zur Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C-​Virusinfektion (HCV) wurde heute in Berlin im Rahmen der Nutzen­be­wertung von Arznei­mitteln mit neuen Wirkstoffen ein beträcht­licher Zusatz­nutzen attestiert. Der Gemeinsame Bundes­aus­schuss (G-BA) kam angesichts der mit der Anwendung zu erreichenden Senkung der Viruslast sowie der Vermeidung von schweren Nebenwir­kungen gegenüber der interfe­ron­ba­sierten zweckmäßigen Vergleichs­therapie zu diesem Ergebnis.

Die chronische Hepatitis C ist eine Viruser­krankung, in deren Verlauf es zu schweren Leberschä­di­gungen wie Leberzirrhose oder Leberzellkarzinom kommen kann. Der G-BA geht von derzeit ca. 100.000 Patienten aus, bei denen eine chronische HCV Infektion diagnos­tiziert wurde.

Die bisherigen Behand­lungs­mög­lich­keiten sind interfe­ron­haltige Kombina­ti­ons­the­rapien, die über 16 bis 72 Wochen angewendet werden müssen. Diese Therapien haben eine Vielzahl von erheblichen Nebenwir­kungen, insbesondere auch schwer­wiegende psychia­trische Nebenwir­kungen wie beispielsweise Depres­sionen.

„Angesichts des mit dem neuen Arznei­mittel erzielbaren Behand­lungs­erfolgs, der möglichen Verkürzung der Therapiedauer und der Vermeidung der schweren Nebenwir­kungen von Interferon ist es in diesem besonderen Falle aus ethischen Gründen geboten, nicht kontrol­lierte, einarmige Studien zu Sofosbuvir im Vergleich mit historischen Kontrollen zu den bisherigen interfe­ron­haltigen Behand­lungs­op­tionen als Entschei­dungs­grundlage zu berück­sichtigen“, sagte Josef Hecken, unpartei­ischer Vorsit­zender und Vorsit­zender des Unteraus­schusses Arznei­mittel. „Nach der Verfah­rens­ordnung des G-BA gilt zwar der für die Nutzen­be­wertung eines neuen Wirkstoffes anzuwendende Grundsatz der evidenz­ba­sierten Medizin, dass Aussagen zum Nutzen­ver­hältnis der miteinander zu verglei­chenden Interven­tionen grundsätzlich auf der Grundlage von direkt verglei­chenden klinischen Studien höchster Qualität getroffen werden. In besonders gelagerten Fallkon­stel­la­tionen kann es jedoch gerecht­fertigt sein, eine Bewertungs­ent­scheidung auf der Grundlage qualitativ angemessener Unterlagen niedrigerer Evidenzstufe zu treffen – auch dies sieht die Verfah­rens­ordnung vor. Diese Voraus­set­zungen sind bei der Nutzen­be­wertung von Sofosbuvir erfüllt.“

Bei der Nutzen­be­wertung des neu zugelassenen Arznei­mittels Sovaldi®, unterschied der G-BA die sechs verschiedenen Genotypen der HCV sowie spezielle Patien­ten­gruppen. Für therapi­enaive Patienten mit dem Genotyp 2 wurde ein beträcht­licher Zusatz­nutzen festge­stellt. Für therapi­enaive HCV Patienten mit dem Genotyp 1, für  therapie­er­fahrene HCV Patienten mit dem Genotyp 2 und für die Interferon-​freie Therapie bei HCV Patienten mit Genotyp 3 sowie für Patienten mit einer HCV/HIV-​Koinfektion wurde ein geringer Zusatz­nutzen bestimmt. Für die Genotypen 4, 5 und 6 sowie für therapie­er­fahrene Patienten mit dem Genotyp 1 hat der G-BA aufgrund der nicht ausrei­chenden Datenlage keinen Zusatz­nutzen ausgesprochen.

Der G-BA traf seine nach Patien­ten­gruppen differen­zierte Entscheidung zum Zusatz­nutzen auf der Basis des Dossiers des pharma­zeu­tischen Unternehmers, der vom Institut für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesund­heitswesen (IQWiG) erstellten Dossier­be­wertung und der hierzu im schrift­lichen und mündlichen Anhörungs­ver­fahren vorgetragenen Stellung­nahmen.

Angesichts von Defiziten der vom pharma­zeu­tischen Unternehmer vorgelegten Unterlagen befristete der G-BA seinen Beschluss bis zum 15. Juli 2016. Erwartet werden dann weitere Daten insbesondere zur Bewertung des historischen Vergleichs, zum dauerhaften virolo­gischen Ansprechen und zu den Nebenwir­kungen, sowie Daten zur Lebens­qualität.

Der Beschluss tritt mit Veröffent­lichung auf den Internet­seiten des G-BA in Kraft. Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden ebenfalls auf www.g-ba.de veröffentlicht.

Hintergrund – Frühe Nutzen­be­wertung von Arznei­mitteln

Seit dem 1. Januar 2011 hat der G-BA die gesetzliche Aufgabe, für alle neu zugelassenen Arznei­mittel mit neuen Wirkstoffen sofort nach Markteintritt eine (Zusatz-​)Nutzen­be­wertung durchzu­führen (§ 35a SGB V). Deren Ergebnis ist die Entschei­dungs­grundlage für die sich anschlie­ßenden Preisver­hand­lungen, die der GKV-​Spitzenverband mit dem pharma­zeu­tischen Hersteller führt.

Den Auftrag zur (frühen) Nutzen­be­wertung erhielt der G-BA über das Gesetz zur Neuordnung des Arznei­mit­tel­marktes (AMNOG). Das mit Wirkung zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz verpflichtet pharma­zeu­tische Unternehmen erstmals, bereits zur Marktein­führung eines neuen Produktes in Deutschland beziehungsweise bei der Zulassung neuer Anwendungs­gebiete ein Dossier zum Nutzen des Präparates vorzulegen.


Beschluss zu dieser Presse­mit­teilung

Arzneimittel-​Richtlinie/Anlage XII: Sofosbuvir