BSG-Urteil zur Mindestmenge für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen: Eine Entscheidung mit Licht und Schatten
Berlin/Kassel, 18. Dezember 2012 – Der seit Jahren andauernde Rechtsstreit um die Festlegung einer Mindestmenge für Kliniken bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss wurde am heutigen Dienstag vor dem Bundessozialgericht fortgesetzt (AZ: B 1 KR 34/12 R). Der 1. Senat des BSG wies den Revisionsantrag des G-BA in dieser Sache zwar als unbegründet zurück, bestätigte allerdings in der mündlichen Urteilsbegründung in allen wesentlichen Rechtsfragen die Auffassung des G-BA.
„Die heutige Entscheidung hat für den G-BA sowohl Licht als auch Schatten. Das BSG hat in den zentralen Bereichen der Auseinandersetzung eindeutig unsere Position bekräftigt – die nachweisliche Planbarkeit der Leistung sowie den direkten Zusammenhang von Leistungsmenge und Qualität der Behandlung. Vor diesem Hintergrund ist die Versorgungssicherheit dieser besonders schutzbedürftigen Patientinnen und Patienten am heutigen Tag – zumindest mittel- und langfristig – gestärkt worden“, sagte der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken.
„Unabhängig von der konkreten Leistung hat das höchste deutsche Sozialgericht mit dem Urteil die generelle Rechtmäßigkeit der Festlegung von Mindestmengen durch den G-BA – auch für Früh- und Neugeborene – noch einmal ausdrücklich bekräftigt. Bei der konkreten Festlegung der Mindestmenge bei der Zahl 30 ist das BSG aber unseren derzeitigen Abgrenzungskriterien bedauerlicherweise nicht gefolgt. Sollten allerdings im Zusammenhang mit neuen Studien- und Forschungsergebnissen noch besser belegte Begründungen für die Festlegung einer bestimmten Zahl ableitbar sein, hat das BSG die Festlegung einer neuen Mindestmenge für Früh- und Neugeborene explizit für zulässig erklärt. Bis dahin bleibt die derzeitig gültige Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr für alle Level 1-Perinatalzentren weiter bestehen.“
Der G-BA hatte im Juni 2010 die Qualitätsanforderungen bei der Versorgung von Früh- und Neugeborenen erhöht und die verbindliche Anzahl von vorher 14 auf 30 behandelte Früh- und Neugeborene pro Jahr als Voraussetzung dafür festgelegt, dass ein Krankenhaus weiterhin sehr betreuungsintensive Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 Gramm versorgen darf. Gegen diesen Beschluss, der zum 1. Januar 2011 in Kraft treten sollte, hatten zahlreiche Kliniken beim Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg Klagen und Anträge auf einstweilige Anordnung eingereicht.
Vor dem LSG Berlin-Brandenburg war der G-BA dann im Dezember 2011 zunächst auch im Hauptsacheverfahren mit seinem Anliegen gescheitert, durch eine Steuerung über Mindestbehandlungsfallzahlen für Behandlungszentren die Qualität der medizinischen Versorgung von Früh- und Neugeborenen zu sichern. Daraufhin hatte das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung das BSG angerufen, um in dieser wichtigen Grundsatzfrage eine eindeutige und in der Versorgungsrealität anwendbare Entscheidung zu erwirken. Die praktische Umsetzung der Mindestmengenregelung in diesem Bereich war zudem durch einen formellen Beschluss des G-BA bis auf weiteres ausgesetzt worden.
Im September dieses Jahres hatte das BSG dann in einem mit Spannung erwarteten Grundsatzurteil zu der Festlegung von Mindestmengen für die Leistung Knie-TEP (Kniegelenk-Totalendoprothese) bereits im Wesentlichen die Rechtsauffassung des G-BA bestätigt. Die ausführliche schriftliche Begründung des heutigen BSG-Urteils liegt dem G-BA noch nicht vor, wird aber in den kommenden Wochen erwartet.
Der G-BA ist durch den Gesetzgeber beauftragt, Maßnahmen der Qualitätssicherung bei zugelassenen Krankenhäusern zu beschließen (§ 137 SGB V). Dazu zählt ein Katalog planbarer Leistungen, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist. Für solche Leistungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers sogenannte Mindestmengen festgelegt werden.