BSG: Wirtschaftlichkeitsgebot gilt auch für homöopathische Arzneimittel
Berlin/Kassel, 16. Dezember 2011 – Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Mittwoch in Kassel ein wegweisendes Urteil zur Bewertung von homöopathischen Arzneimitteln nach den Kriterien des Wirtschaftlichkeitsgebots der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gefällt. Der Spruch des 6. Senats stützt in gleich mehrfacher Hinsicht grundlegende Rechtsauffassungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Geklagt hatte die Firma Cassella-med GmbH & Co. KG als Herstellerin des homöopathischen Hustenmittels „Monapax“ in Form von Saft und Tropfen (Aktenzeichen B 6 KA 29/10 R).
Das Unternehmen hatte sich ursprünglich vor dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg gegen die Anwendbarkeit einer Regelung in der Arzneimittel-Richtlinie auf das Arzneimittel „Monapax“ gewandt, wonach unter anderem feste Kombinationen von hustenstillenden Antitussiva und auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien als unwirtschaftlich anzusehen sind und deshalb nicht zu Lasten der GKV verordnet werden können.
Das LSG hatte dieser Klage in erster Instanz im Jahr 2010 zunächst stattgegeben (Aktenzeichen L 7 KA 125/09 KL). Es war der Auffassung, dass die der Regelung zugrunde liegende wirkstoffbezogene Betrachtungsweise mit den spezifischen Eigenheiten der Therapierichtung der Homöopathie nicht in Einklang stehe. Gegen das Urteil des LSG war der G-BA in Revision gegangen und hat sich nun am vergangenen Mittwoch mit seiner Rechtsauffassung vor dem BSG durchgesetzt.
Das BSG hält eine wirkstoffbezogene Betrachtungsweise und Bewertung von homöopathischen Komplexarzneimitteln nach den in der Arzneimittel-Richtlinie festgelegten Grundsätzen für zulässig. Dies ergebe sich aus dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot. Danach ist der G-BA berechtigt, den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit von zugelassenen homöopathischen Komplexarzneimitteln nach den in der Arzneimittel-Richtlinie festgelegten Kriterien zu bewerten. Ein Widerspruch zur Zulassung bestehe nicht, da das Recht der GKV mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot ein vom Arzneimittelzulassungsrecht abweichendes Bewertungsregime bestimme.
Da das Wirtschaftlichkeitsgebot unterschiedslos für die Versorgung aller Versichertengruppen gelte, sei der G-BA auch befugt, die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Arzneimitteln nach den in der Arzneimittel-Richtlinie festgelegten Kriterien einzuschränken.
In prozessualer Hinsicht hat das BSG festgestellt, dass die Feststellungsklage die richtige Klageart ist, um die Anwendung und Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen des G-BA gerichtlich überprüfen zu lassen. Anders als das LSG Berlin-Brandenburg hält das BSG eine allgemeine Normenkontrollklage gegen Richtlinien des G-BA für unzulässig.