Keine Gesprächspsychotherapie zu Lasten der GKV - Landessozialgericht bestätigt Entscheidung des G-BA - Signalwirkung für noch anhängige Rechtsstreite
Siegburg/Stuttgart, 5. November 2008 – Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in zweiter Instanz in seiner Entscheidung bestätigt, die Gesprächspsychotherapie nicht als Behandlungsverfahren in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen (Aktenzeichen: L 5 KA 2851/06, 29. Oktober 2008). Das teilte der G-BA am Mittwoch in Siegburg mit.
Hintergrund des Urteils war die Klage eines Psychotherapeuten gegen die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg auf Erteilung eines so genannten Fachkundenachweises nach § 95c SGB V. Das Vorliegen dieses Nachweises ist eine Voraussetzung für die Zulassung als Vertragspsychotherapeutin oder Vertragspsychotherapeut. Nur zugelassene Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten dürfen Leistungen zu Lasten der GKV erbringen.
Die Erteilung eines solchen Nachweises ist nach dem SGB V aber nur dann möglich, wenn die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut die vertiefte Ausbildung in einem psychotherapeutischen Verfahren absolviert hat, das durch den G-BA in seinen Richtlinien als GKV-Leistung anerkannt wurde. Wirksamkeit und Nutzen der Gesprächspsychotherapie sind nach Auffassung des G-BA bislang jedoch nicht für die Behandlung der wichtigsten, versorgungsrelevanten psychischen Erkrankungen in ausreichender Breite wissenschaftlich belegt.
Der Kläger, der mit seinem Anliegen bereits in erster Instanz vor dem Sozialgericht Stuttgart gescheitert war, hatte erneut geltend gemacht, dass die Gesprächspsychotherapie allein schon aufgrund einer vorliegenden berufsrechtlichen Anerkennung zu Lasten der GKV erbringbar sein müsse. Der Kläger sah insoweit sein Grundrecht auf Berufsausübung verletzt, da die Gesprächspsychotherapie nicht in den Katalog abrechenbarer GKV-Leistungen aufgenommen wurde.
Das LSG hingegen sah den G-BA berechtigt, in seinen Richtlinien über die berufsrechtlicher Regelungen hinauszugehen. Der Beschluss des G-BA liege innerhalb des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Entscheidungsspielraums, urteilte das Gericht.
Die Entscheidung des LSG hat nach Einschätzung des G-BA Signalcharakter für vergleichbare Rechtsstreite, die derzeit noch vor anderen Sozialgerichten anhängig sind. Das LSG Baden-Württemberg hat eine Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Der G-BA hatte am 25. April 2008 beschlossen, dass die Gesprächspsychotherapie auch künftig nicht als Leistung der GKV angewandt werden kann und damit eine entsprechende Entscheidung aus dem Jahr 2006 bekräftigt. In der wissenschaftlichen Literatur wurde bislang zwar für Patienten mit Depressionen ein Beleg dafür gefunden, dass die Gesprächspsychotherapie im Hinblick auf einen Behandlungserfolg ebenso nützlich ist, wie die derzeit in der GKV zur Verfügung stehenden Verfahren. Ein wesentliches Kriterium für die Aufnahme eines Psychotherapieverfahrens in den GKV-Leistungskatalog ist jedoch eine ausreichend breite Versorgungsrelevanz. Nur dann kann sichergestellt werden, dass mit einem psychotherapeutischen Denkansatz viele verschiedene psychische Erkrankungen in ausreichendem Umfang behandelt werden können.
Bevor eine psychotherapeutische Behandlungsform Kassenleistung wird, bewertet der G-BA diese – ebenso wie andere medizinische Behandlungsmethoden – nach einem festgelegten einheitlichen Verfahren. Überprüft wird, ob Verfahren, Methoden oder Techniken zur Behandlung bestimmter Erkrankungen für Patienten einen Nutzen haben, und ob sie medizinisch notwendig und wirtschaftlich sind.
Der G-BA wird in Kürze damit beginnen, alle psychotherapeutischen Verfahren auf Grundlage der evidenzbasierten Medizin zu überprüfen, die GKV-Versicherten derzeit zur Verfügung stehen,
Im Rahmen der GKV besteht für Versicherte Anspruch auf Kostenübernahme für zwei unterschiedliche Psychotherapierichtungen, die psychoanalytisch begründeten Verfahren und die Verhaltenstherapie. Insgesamt nutzen jedes Jahr etwa 300 000 Patienten eine ambulante Psychotherapie.