Beschluss zur Protonentherapie bei der Behandlung des Mammakarzinoms: BMG hat lediglich Rechtsaufsicht - Landessozialgericht Essen bestätigt Rechtsauffassung des G-BA auch in zweiter Instanz
Siegburg/Essen, 6. Juni 2008 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist auch in zweiter Instanz in seinem Beschluss bestätigt worden, die Protonentherapie für die Behandlung des Mammakarzinoms (Brustkrebs) aus dem stationären Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auszuschließen. Ein entsprechendes Urteil fällte das Landessozialgericht am Mittwoch in Essen und bekräftigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Köln vom Oktober 2005. Das Gericht hat den G-BA auch in seiner Rechtsauffassung bestätigt, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) lediglich eine Rechts- und keine Fachaufsicht über den G-BA ausüben kann und hat die BMG-Beanstandung des Beschlusses zur Protonentherapie aufgehoben.
In der mündlichen Urteilsbegründung teilte die vorsitzende Richterin die Auffassung des G-BA, dass dieser nicht verpflichtet sei, den fehlenden Nutzen einer Methode nachzuweisen, weil dies so gut wie nie möglich sei. Zudem sei im Rahmen der gesetzlich geregelten Aufsicht dem BMG nur die Möglichkeit gegeben zu prüfen, ob die wissenschaftliche Bewertung des G-BA vertretbar und in ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen ist (Rechtsaufsicht). Gleichzeitig stellte der Senat klar, dass trotz unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen (ambulant: § 135 SGB V – Erlaubnisvorbehalt im Unterschied zu stationär: § 137c SGB V – Verbotsvorbehalt) bei der Bewertung des Nutzens und der Notwendigkeit einer Methode die gleichen Kriterien zur Anwendung kommen müssen.
Den Ausschluss der Protonentherapie für die Behandlung des Mammakarzinoms aus dem Leistungskatalog der GKV hatte der G-BA im Wesentlichen damit begründet, dass es keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege für deren Wirksamkeit gäbe. Das BMG hatte diesen Beschluss mit der Begründung beanstandet, dass die fehlende Wirkung einer im stationären Bereich ausgeschlossenen Methode vom G-BA nachgewiesen werden müsse.
„Dieses Urteil hat - unabhängig von der zu erwartenden Fortsetzung des Rechtsstreites in der nächsten Instanz – eine sehr grundsätzliche Bedeutung für die weitere Arbeit des Bundesausschusses und Signalwirkung für vergleichbare gerichtliche Auseinandersetzungen, die noch anhängig sind, beziehungsweise eventuell künftig anstehen. Dies sowohl in Hinblick auf die Methodenbewertung insgesamt als auch für das grundsätzliche Binnenverhältnis von G-BA und BMG“, sagte der unparteiischer Vorsitzende des G-BA, Dr. Rainer Hess. „Es wurde nun auch in der zweiten Instanz festgestellt, dass die Beweislast des fehlenden Nutzens einer Behandlungsmethode nicht beim G-BA liegt, und dass sich das Ministerium auf seine im Gesetz vorgesehene Rechtsaufsicht beschränken muss. Es darf sich nicht in die fachliche Arbeit des G-BA einmischen, auch wenn diese sich unter Umständen nicht mit bestimmten politischen Vorstellungen deckt“.
Das Urteil (Az.: L 5 KR 9/08) ist noch nicht rechtskräftig.
Der G-BA in seiner für Krankenhausbehandlung zuständigen Besetzung hat die gesetzliche Aufgabe, im Krankenhaus zu Lasten der GKV erbrachte Methoden daraufhin zu prüfen, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (§ 137c SGB V, „Verbotsvorbehalt“).
Im Jahr 2004 wurden die Beschlüsse gefasst, die Protonentherapie bei der Behandlung des Mammakarzinoms und des Ästhesioneuroblastoms - eines sehr seltenen Tumors der Nasenhaupthöhle - aus der Erstattungspflicht durch die GKV auszuschließen. Diese Beschlüsse hatte das BMG beanstandet. Der G-BA hatte dagegen beim Sozialgericht Köln im Sommer 2004 Klage eingereicht.