Diese Beanstandung zur Enteralen Ernährung kann der Gemeinsame Bundesausschuss nicht hinnehmen
Siegburg, 2. Mai 2005 - Als einmaligen Vorgang in der Geschichte von Bundesausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung wertet Rainer Hess, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), den Versuch des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) als Rechtsaufsicht, den G-BA durch Auflagen in einer Beanstandung zu zwingen, die von ihm beschlossene Richtlinie zur Enteralen Ernährung inhaltlich und in ihrer Zielsetzung nahezu in ihr Gegenteil zu verkehren.
Das Gesetz beauftragt den G-BA, in diesen Richtlinien die Ausnahmen zu bestimmen, in denen die dort abschließend aufgezählten Produkte zur Enteralen Ernährung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden können. Der G-BA hat diesen Auftrag durch die Definition allgemeiner, krankheitsspezifischer und ergänzender Indikationen für eine notwendige Enterale Ernährung, die Zuordnung hierfür geeigneter Produkte und eine erläuternde Anlage erfüllt. Diese differenzierte und auf den gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gestützte Regelung ist nach der Überzeugung des G-BA notwendig, um
- zu gewährleisten, dass die natürliche Nahrungsaufnahme mit Hilfe von Ernährungsumstellung und pflegerischen Maßnahmen im Interesse des Patienten solange wie möglich aufrechterhalten wird und
- zu verhindern, dass Enterale Ernährung ohne medizinisch notwendige Indikation, mit in ihrer Evidenz nicht gesicherten Spezialprodukten oder – beispielsweise bei dementen Patienten – aus Bequemlichkeit erfolgt.
Das BMGS will den G-BA durch seine Auflagen zwingen, die medizinischen Indikationen durch eine nicht auf Krankheiten bezogene Generalindikation zu ersetzen. Damit wird die gesetzlich vorgeschriebene Ausnahme zur Regel: Die bestehende Handhabung der Enteralen Ernährung einschließlich der Missbräuche wird fortgeschrieben. Wenn dies das Ziel der angeblich mit den Auflagen des BMGS bezweckten „Normenklarheit“ ist, bedarf es keiner Richtlinie des G-BA!
Der Richtlinie des G-BA liegt eine umfangreiche Literatur- und Studienrecherche zugrunde. Im Sinne der gebotenen Transparenz sollte auch das BMGS seine Auflagen wegen ihrer grundsätzlich abweichenden inhaltlichen Ausrichtung und Zielsetzung wissenschaftlich belegen. Der erfolgte Hinweis auf die Diätverordnung als einer Vorschrift zur gesundheitspolizeilichen Gefahrenabwehr hilft nicht. Auch Arzneimittel, die nach dem Arzneimittelgesetz zugelassen sind, unterliegen im Leistungsrecht der GKV einer eigenständigen Nutzenbewertung. Auch für Ernährungsprodukte, die vergleichbar in der Krankenbehandlung eingesetzt werden, müssen medizinischer Nutzen und Notwendigkeit gesichert sein!