Sozialgericht bestätigt Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Protonentherapie - Beanstandungen des BMGS werden aufgehoben – Ministerium hat nur Rechtsaufsicht
Siegburg, 21. Oktober 2005 – Das Sozialgericht Köln hat am vergangenen Mittwoch entschieden, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Ausschluss der Protonentherapie aus dem stationären Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Bestand haben.
In der Urteilsbegründung teilte der Vorsitzende Richter die Auffassung des G-BA, dass dieser nicht verpflichtet sei,den fehlenden Nutzen einer Methode nachzuweisen, weil dies so gut wie nie möglich sei. Zudem sei im Rahmen der gesetzlich geregelten Aufsicht dem BMGS nur die Möglichkeit gegeben zu prüfen, ob die wissenschaftliche Bewertung des G-BA vertretbar und in ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen sei (Rechtsaufsicht). Gleichzeitig stellte der Richter klar, dass trotz unterschiedlicher gesetzlicher Regelungen (ambulant: § 135 SGB V – Erlaubnisvorbehalt im Unterschied zu stationär: § 137c SGB V – Verbotsvorbehalt) bei der Bewertung des Nutzens und der Notwendigkeit einer Methode die gleichen Kriterien zur Anwendung kommen müssen.
Den Ausschluss der Protonentherapie zur Behandlung des Ästhesioneuroblastoms und des Mammakarzinoms aus dem Leistungskatalog der GKV hatte der G-BA im Wesentlichen damit begründet, dass es keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege für deren Wirksamkeit gebe. Das BMGS beanstandete diese Beschlüsse mit der Begründung, dass die fehlende Wirkung einer im stationären Bereich ausgeschlossenen Methode vom G-BA nachgewiesen werden müsse.
„Dieses Urteil hat unabhängig von der zu erwartenden Fortsetzung des Rechtsstreites in der nächsten Instanz grundsätzliche Bedeutung für die weitere Arbeit des Bundesausschusses: Sowohl in Hinblick auf die Methodenbewertung insgesamt als auch zum Verhältnis von G-BA und BMGS“, erklärten Dr. Rainer Hess und Professor Michael-Jürgen Polonius, Vorsitzende des G-BA, hierzu in Siegburg. „Es ist nun zumindest erstinstanzlich festgestellt, dass die Beweislast zum fehlenden Nutzen einer Behandlungsmethode nicht beim G-BA liegt und dass sich das Ministerium auf seine im Gesetz vorgesehene Rechtsaufsicht beschränken muss. Es darf sich nicht in die fachliche Arbeit des G-BA einmischen“.
Das Urteil (Az. S 19 KR 76/05) ist noch nicht rechtskräftig.
Zum Hintergrund
Der G-BA in seiner für Krankenhausbehandlung zuständigen Besetzung hat die Aufgabe, im Krankenhaus zu Lasten der GKV erbrachte Methoden daraufhin zu prüfen, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (§ 137c SGB V, „Verbotsvorbehalt“). Im vergangenen Jahr wurden die Beschlüsse gefasst, die Protonentherapie zur Behandlung des Ästhesioneuroblastoms - ein sehr selten auftretender Tumor der Nasenhaupthöhle - und zur Behandlung des Brustkrebses auszuschließen. Diese Beschlüsse hatte das BMGS beanstandet, wogegen der G-BA beim Sozialgericht Köln im Sommer 2004 Klage einreichte.