Pressemitteilung | Arzneimittel

Genehmigungsvorbehalte bei der Verordnung von medizinischem Cannabis: G-BA regelt Ausnahmen

Berlin, 18. Juli 2024 – Die erste Verordnung von Cannabisprodukten muss bislang in der Regel von der Krankenkasse genehmigt werden; bei Folgeverordnungen ist sie nur bei einem Produktwechsel notwendig. Der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) hat jetzt festgelegt, bei welcher Qualifikation der verordnenden Ärztin oder des verordnenden Arztes der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse entfällt: Gelistet sind insgesamt 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen sowie 5 Zusatzbezeichnungen, darunter Palliativmedizin und spezielle Schmerztherapie. Bei Ärztinnen und Ärzten, die diese Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung führen, geht der G-BA davon aus, dass sie die Voraussetzungen für eine Cannabisverordnung abschließend einschätzen können. Bestehen jedoch Unsicherheiten, können auch diese Vertragsärztinnen und Vertragsärzte eine Genehmigung der Verordnung bei der Krankenkasse beantragen.

Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel: „Wir haben uns die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages nicht leicht gemacht: Also die Frage zu beantworten, bei welcher ärztlichen Qualifikation der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse für eine Cannabis-Verordnung gänzlich entfallen kann. Uns erreichten zu unserem ursprünglichen Beschlussentwurf gute und wichtige Rückmeldungen, die sich jetzt auch im Beschluss wiederfinden. Um Unklarheiten zu vermeiden, werden keine bestimmten Krankheitsbilder genannt, da der Genehmigungsvorbehalt eben nicht nur dort entfällt. Zudem ist bei den nun gelisteten Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen eine Zusatzweiterbildung nicht zwingend notwendig. Aus meiner Sicht haben wir insgesamt eine ausgewogene Lösung gefunden. Ohne Einbußen bei der Patientensicherheit verringert sich der bürokratische Aufwand erheblich.“

Bei welcher Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung gibt es keinen Genehmigungsvorbehalt mehr?

Die Anforderung an die ärztliche Qualifikation ist erfüllt, wenn von der verordnenden Vertragsärztin bzw. dem verordnenden Vertragsarzt alternativ eine der genannten Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnungen geführt wird:

  • Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen
    • Fachärztin/Facharzt für Allgemeinmedizin
    • Fachärztin/Facharzt für Anästhesiologie
    • Fachärztin/Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Angiologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Pneumologie
    • Fachärztin/Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie
    • Fachärztin/Facharzt für Neurologie
    • Fachärztin/Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin
    • Fachärztin/Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Zusatzbezeichnungen
    • Geriatrie
    • Medikamentöse Tumortherapie
    • Palliativmedizin
    • Schlafmedizin
    • Spezielle Schmerztherapie

Warum kann freiwillig eine Genehmigung der Krankenkasse beantragt werden?

Eine Verordnung von medizinischem Cannabis ist generell nur möglich, wenn andere Leistungen, die den Krankheitsverlauf oder die schwerwiegenden Symptome positiv beeinflussen können, nicht zur Verfügung stehen und wenn Aussicht auf einen positiven Effekt von Cannabisarzneimitteln besteht. Ob diese Voraussetzungen bei einer Patientin oder einem Patienten gegeben sind, kann im Einzelfall von der Krankenkasse anders bewertet werden als von den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. Deshalb können auch fachlich ausreichend qualifizierte Ärztinnen und Ärzten eine Genehmigung der Verordnung bei der Krankenkasse beantragen, auch um finanziellen Rückforderungen der Krankenkasse (Regress) vorzubeugen. Eine abschließende Prüfung, ob auch eine wirtschaftlichere Auswahl des Cannabisprodukts möglich gewesen wäre, ist mit einer Genehmigung aber nicht verbunden.

Ab wann gilt der Beschluss?

Der Beschluss tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit ihn innerhalb von zwei Monaten rechtlich nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Hintergrund: Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei Medizinalcannabis

Gesetzlich Versicherte haben unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Verordnung von Cannabis: in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten sowie auf Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) wurde der G-BA beauftragt, das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen zu regeln, bei denen der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkasse entfällt.

Nähere Informationen zur Verordnung von medizinischem Cannabis: Antworten auf häufig gestellte Fragen


Beschluss zu dieser Pressemitteilung

Arzneimittel-Richtlinie: Abschnitt N § 45 (Genehmigungsvorbehalt Cannabisarzneimittel)