Standortbestimmung: Fachkonferenz des G-BA diskutiert über europäische Nutzenbewertung
Berlin, 14. November 2023 – Rund 200 Expertinnen und Experten aus verschiedenen Institutionen, Behörden und der Arzneimittelbranche haben die Einladung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) genutzt und sich über den aktuellen Stand der Vorbereitungen auf die künftige europäische Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment (HTA)) ausgetauscht. Per Livestream verfolgten weitere 1000 Interessierte die Diskussion. Die systematische, evidenzbasierte Bewertung der klinischen Studien für neue Arzneimittel und Medizinprodukte in sogenannten EU-HTA-Berichten soll ab dem Jahr 2025 mit neuen Krebsmedikamenten und neuartigen Therapien (ATMPs) starten. Was dieser Schritt für nationale Verfahren, gerade für ein Land wie Deutschland mit einer bereits gut etablierten Nutzenbewertung bei neuen Arzneimitteln, bedeutet, war ebenfalls ein wichtiger Punkt der Fachkonferenz.
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und zuständig für den Arzneimittelbereich: „Ein europäisches Bewertungsverfahren von neuen Arzneimitteln wird aus deutscher Sicht erst einmal Mehrarbeit bedeuten – doch die lohnt sich, denn im Gegenzug bekommen wir Transparenz in Deutschland und gleichermaßen in den EU-Mitgliedsländern. Es ist jetzt schon klar, auch unser nationales Verfahren wird sich verändern, jedoch keinesfalls überflüssig werden. Man muss das Beste aus dem AMNOG-Verfahren erhalten und das Wertvolle aus dem europäischen Verfahren nach Deutschland bringen. So nachvollziehbar das Anliegen der EU-Kommission nach einem einheitlichen Vorgehen und der Wunsch der Pharmaindustrie nach schnelleren, aufwandsarmen Verfahren ist: Die letzte Entscheidung über den Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln muss im jeweiligen Versorgungskontext getroffen werden.“
Alle Redebeiträge der Fachkonferenz sind auf der Website des G-BA abrufbar: Veranstaltungsdokumentation
Weitere Informationsveranstaltungen in Planung
Auf europäischer und nationaler Ebene wird es weitere Informationsveranstaltungen bis zum offiziellen Start der EU-HTA-Bewertungen geben:
- Der G-BA plant weitere zielgruppenspezifische Gespräche und Workshops zu Fragen rund um HTA-Verfahren. Sobald Details dazu feststehen, wird der G-BA darüber informieren.
- Die EU-Kommission beispielsweise bietet Ende kommenden Jahres eine Informationsveranstaltung für den französischen und deutschen Kontext an.
G-BA ist zentrale Kontaktstelle für europäische Beratungen
In Vorbereitung auf die Umsetzung der EU-HTA-Verordnung haben Hersteller von Gesundheitstechnologien bereits seit September 2023 bis einschließlich Ende 2024 die Möglichkeit, sich in einem parallelen Verfahren („Parallel EMA/HTA body Scientific Advice“) von den nationalen HTA-Organisationen und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zur Planung der Zulassungsstudie(n) beraten zu lassen. Der G-BA fungiert dabei als zentrale Kontaktstelle: Er koordiniert alle eingehenden Anfragen auf parallele wissenschaftliche Beratung und bindet die nationalen HTA-Organisationen in das Verfahren ein. Informationen dazu sind auf der Website des G-BA zu finden: Europäische Beratungen
Hintergrund: EU-HTA-Verordnung
Die EU-HTA-Verordnung ist im Januar 2022 in Kraft getreten. Sie regelt eine verbindliche Zusammenarbeit der nationalen HTA-Behörden der Mitgliedsstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums bei der klinischen Beurteilung von Daten zu neuen Arzneimitteln und Medizinprodukten. Die europäischen Bewertungen sollen in den Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden, sofern diese Daten für die länderspezifische Fragestellung geeignet sind.
Die eigentliche Entscheidung zum Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln trifft in Deutschland weiterhin der G-BA. Sein Beschluss bleibt der Ausgangspunkt für die Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den einzelnen pharmazeutischen Unternehmen. Nach den ersten gemeinsamen Bewertungen, die ab 2025 bei Krebsmedikamenten und neuartigen genbasierten Therapien (ATMPs) starten, sollen ab 2028 Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs) folgen, ab 2030 dann alle anderen neuen Arzneimittel. Für die Bewertung von Medizinprodukten sind in der Verordnung keine Starttermine benannt.