Pressemitteilung | Arzneimittel

Schwere RSV-Erkrankungen bei Babys vermeiden: G-BA konkretisiert Verordnungsmöglichkeiten von Nirsevimab bei Risikogruppen

Berlin, 2. November 2023 – Das Respiratorische-Synzytial-Virus (RSV) löst oft schwere Atemwegsinfektionen aus. Bei Kindern kann die Gabe von RSV-Antikörpern vor einer Infektion das Risiko, schwer zu erkranken, senken. Nachdem der RSV-Antikörper Nirsevimab seit kurzem auf dem Markt verfügbar ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seinen bisherigen Therapiehinweis zum RSV-Antikörper Palivizumab neu gefasst. Damit stellt der G-BA klar, für welche Kinder mit einem hohen Risiko für schwere Krankheitsverläufe die Verordnung von RSV-Antikörpern von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird. Ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf durch RSV besteht beispielsweise bei Frühgeborenen sowie bei Säuglingen, die bestimmte Arten von Herzfehlern oder Trisomie 21 haben. Der Beschluss zur Neufassung des Therapiehinweises wird dem Bundesministerium für Gesundheit zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Warum wird der Einsatz von Nirsevimab auf Kinder mit Risiko-Faktoren begrenzt?

Der monoklonale Antikörper Nirsevimab kann, wenn er vor einer RSV-Infektion gegeben wird, durch eine sogenannte passive Immunisierung eine Erkrankung der unteren Atemwege verhindern oder abschwächen. Eine generelle Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für solche Wirkstoffe zur Prävention sieht der Gesetzgeber jedoch nicht vor. Ausnahmen bestehen nur bei einer aktiven Immunisierung mittels Schutzimpfungen und der HIV-Präexpositionsprophylaxe durch antivirale Arzneimittel. An diese gesetzlichen Vorgaben müssen sich die Vertragsärztinnen und -ärzte, aber auch der G-BA halten. Der G-BA kann daher in seinem Therapiehinweis trotz einer weitergehenden Zulassung von Nirsevimab nur definieren, bei welchen Patientengruppen die Gabe des RSV-Antikörpers in den Bereich der medizinischen Vorsorgeleistung bzw. der Krankenbehandlung fällt, weil bei ihnen ein hohes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf besteht. Bei Kindern ohne besondere Risikofaktoren ist die Gefahr eines schwerwiegenden Erkrankungsverlaufs – und damit auch der potenzielle Nutzen der Antikörpergabe – gering. Deshalb sind hier die Voraussetzungen für eine Verordnung unter den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben.

Braucht es eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut befasst sich derzeit ebenfalls mit den Möglichkeiten der RSV-Prophylaxe. Der vom G-BA verantwortete Therapiehinweis regelt allein den Einsatz der Antikörper Nirsevimab und Palivizumab zur Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe als sogenannte Sekundärprävention. Dabei gelten die gesetzlichen Vorgaben zur Arzneimittelversorgung, eine Empfehlung der STIKO ist hierfür nicht notwendig. Demgegenüber setzt der Einsatz von RSV-Impfstoffen zur Primärprävention als GKV-Leistung eine positive Impf-Empfehlung durch die STIKO voraus. Sollte es eine STIKO-Empfehlung zur RSV-Impfung geben, würde der G-BA diese in seiner Schutzimpfungs-Richtlinie entsprechend berücksichtigen.

Wie ging der G-BA vor? – Hat er medizinische Leitlinien berücksichtigt?

Grundlage für die Ergänzung des Therapiehinweises ist eine systematische Literaturrecherche. Mit ihr hat sich der G-BA einen Überblick über den Stand der medizinischen Erkenntnisse zum Einsatz von Antikörpern zur RSV-Prophylaxe und der infrage kommenden Risikogruppen verschafft. Berücksichtigt wurde auch die erst im September 2023 aktualisierte S2k-Leitlinie zu RSV-Prophylaxe bei Risikokindern.

Kommt der Therapiehinweis für die aktuelle RSV-Saison zu spät?

Erst mit der Zulassung von Nirsevimab konnte der G-BA mit seinen Beratungen beginnen – das war im Herbst 2022. Der Markteintritt von Nirsevimab ist dann im September 2023 erfolgt. Da die typische Saison für RSV-Erkrankungen im November startet und bis etwa April anhält, kommt der Therapiehinweis für die aktuelle Erkältungssaison zwar spät – dies war aber den oben beschriebenen Rahmenumständen und den vorgegebenen Beratungsschritten geschuldet. Die RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab wird von einigen gesetzlichen Krankenkassen unabhängig vom G-BA-Therapiehinweis zwischenzeitlich auch als Satzungsleistung übernommen.

Hintergrund: Therapiehinweise

Mit den sogenannten Therapiehinweisen des G-BA erhalten niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Hilfestellung, um vor allem neue und hochpreisige Arzneimittel in ihrer Therapie qualitätsgesichert und zugleich so gezielt wie möglich, also wirtschaftlich, zu verordnen. Alle Therapiehinweise des G-BA sind in der Anlage IV der Arzneimittel-Richtlinie aufgeführt. Sie enthalten unter anderem Informationen zur arzneimittelrechtlichen Zulassung, zur Wirkung und Wirksamkeit eines Wirkstoffs bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen sowie zu Risiken und Vorsichtsmaßnahmen.


Beschluss zu dieser Pressemitteilung

Arzneimittel-Richtlinie/Anlage IV: Palivizumab