Medizinischer Notfall oder nicht? – G-BA definiert Vorgaben für die Ersteinschätzung in Notaufnahmen
Berlin, 6. Juli 2023 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat entsprechend seines gesetzlichen Auftrags Vorgaben für ein qualifiziertes und standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren in Notaufnahmen von Krankenhäusern definiert. Er beschloss unter anderem Mindestanforderungen an das Verfahren, das digitale Assistenzsystem und die Qualifikation des beteiligten medizinischen Personals. Mit Hilfe des Ersteinschätzungsverfahrens soll schnell und verlässlich beurteilt werden, wie dringend bei Hilfesuchenden der Behandlungsbedarf ist. Nur wenn ein sofortiger Behandlungsbedarf festgestellt wird, soll die Patientin oder der Patient ambulant im Krankenhaus behandelt oder ggf. auch stationär aufgenommen werden. In allen anderen Fällen soll die Behandlung grundsätzlich in der vertragsärztlichen Versorgung erfolgen. Der Beschluss des G-BA sieht für die Krankenhäuser verschiedene Übergangsfristen vor, um beispielsweise das benötigte Personal weiterzubilden und ein digitales Assistenzsystem zu implementieren.
Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA: „Mit den bundeseinheitlichen Vorgaben für ein Ersteinschätzungsverfahren in Notaufnahmen haben wir heute als Gemeinsamer Bundesausschuss einen weiteren wichtigen Baustein für eine umfassende Reform der Notfallversorgung beschlossen. Das neue Verfahren im Krankenhaus soll sicherstellen, dass Hilfesuchende gut versorgt werden – bei medizinisch dringendem Bedarf direkt in der Klinik, ansonsten durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte. Unsere generellen Anforderungen an Notfallstrukturen in Krankenhäusern, die unter anderem eine Zentrale Notaufnahme vorsehen, greifen bereits seit 2018.
Das Beratungsverfahren für die neue Richtlinie war nicht einfach, denn natürlich ist jedes Detail für einen so sensiblen Prozess wie der Einstufung des medizinischen Behandlungsbedarfs hoch relevant. Aus meiner Sicht haben wir im Ergebnis aber eine gute Lösung gefunden, die auch den Bedenken der Krankenhäuser, die die Vorgaben ja erfüllen müssen, mit Übergangsregelungen Rechnung trägt. Eine Herausforderung war es, den kurzfristig geänderten Regelungsauftrag des Gesetzgebers an uns umzusetzen – zumal die Interpretationen, was das in der Folge konkret bedeutet, ganz unterschiedlich ausfielen. Aber auch das gelang.
Im Vorfeld des heutigen Beschlusses waren Stimmen zu hören gewesen, ob Regelungen des G-BA angesichts der anstehenden Krankenhausreform verzichtbar sind – dem ist nicht so. Denn erstens ist derzeit offen, wann die Reform tatsächlich stehen wird. Und zweitens wird es einige Jahre dauern, bis die für die Krankenhausreform angedachten Strukturveränderungen reale Versorgungspraxis sind. Angesichts von überfüllten Notaufnahmen braucht es auch für diese Übergangszeit praktikable und sachgerechte Lösungen.“
Weiterleitung in die vertragsärztliche Versorgung
Bereits jetzt wird in Notaufnahmen die Dringlichkeit einer ärztlichen, unmittelbar notwendigen Behandlung mit Hilfe von sogenannten Triagesystemen festgestellt: So werden Hilfesuchende mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder Verletzung schnellstmöglich identifiziert und behandelt.
Bei Hilfesuchenden, bei denen kein sofortiger Behandlungsbedarf besteht, schließt sich zukünftig ein erweitertes Ersteinschätzungsverfahren an, das aufbauend auf dem Ergebnis der Triage das Zeitfenster bis zur Behandlung und die Versorgungsebene vorgibt. Je nachdem, ob eine ärztliche Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnen sollte oder nicht, werden zwei sogenannte Dringlichkeitsgruppen unterschieden:
- Bei Dringlichkeitsgruppe 1 sollte die Behandlung innerhalb von 24 Stunden beginnen: Entweder ambulant im Krankenhaus oder in einer im oder am Krankenhaus gelegenen Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beziehungsweise einem entsprechenden Medizinischen Versorgungszentrum des Krankenhauses.
- Bei Dringlichkeitsgruppe 2 ist keine Behandlung innerhalb von 24 Stunden erforderlich. Die Versicherten erhalten einen Vermittlungscode, mit dem sie über die Terminservicestelle der KV einen Termin buchen können.
Inkrafttreten
Die Richtlinie des G-BA tritt nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit und anschließender Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Hintergrund: Auftrag des G-BA zum Ersteinschätzungsverfahren
Gesetzliche Grundlage des Beschlusses zum Ersteinschätzungsverfahren ist § 120 Absatz 3b SGB V, zuletzt geändert durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz. Danach hat der G-BA Vorgaben zur Durchführung einer qualifizierten und standardisierten Ersteinschätzung des medizinischen Versorgungsbedarfs von Hilfesuchenden zu beschließen, die sich zur Behandlung eines Notfalls an ein Krankenhaus wenden.