Pressemitteilung | Arzneimittel

G-BA regelt Verordnung von medizinischem Cannabis bei schweren Erkrankungen: Keine zusätzlichen Anforderungen, die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen

Berlin, 16. März 2023 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute die Detailregelungen beschlossen, die zukünftig bei der ärztlichen Verordnung von medizinischem Cannabis als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gelten.

Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA: „Wir haben heute Regelungen beschlossen, die keine zusätzlichen Anforderungen an die Verordnung von medizinischem Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten stellen, die über die gesetzlich zwingenden und für den G-BA verbindlichen gesetzlichen Verordnungsvoraussetzungen hinausgehen. Damit wollen wir die Patientenversorgung mit dieser zusätzlichen Therapieoption bei schweren Erkrankungen im Bedarfsfall sicherstellen. Die gefundenen Regelungen für die Verordnung von medizinischem Cannabis schöpfen den vom Gesetzgeber in § 31 Absatz 6 SGB V dem G-BA gegebenen Handlungsrahmen voll aus und sind ein fachlich ausgewogener und in der Versorgungspraxis sehr gut gangbarer Weg, um eine gute und rechtssichere Versorgung von Patientinnen und Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung sicherzustellen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte hier zwischen dem Bestreben, schwerkranken Menschen mit einer zusätzlichen Therapieoption zu helfen, und der notwendigen Arzneimitteltherapiesicherheit abzuwägen. Denn die betroffenen Cannabisprodukte sind zum Teil gar nicht – bzw. nicht für den hier geregelten Einsatz – als Arzneimittel zugelassen und dementsprechend auch in keinem Zulassungsverfahren auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität geprüft worden. Deshalb hat auch der Gesetzgeber einen Genehmigungsvorbehalt statuiert, den der Gemeinsame Bundesausschuss umsetzt.

Insgesamt ist die gefundene Regelung innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine bürokratiearme Lösung, denn sie ermöglicht bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen eine gute Versorgung mit medizinischem Cannabis als zusätzlicher Therapieoption.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

  1. Nur die Erstverordnung von Cannabis sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form bedürfen keiner erneuten Genehmigung. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt worden ist, gilt diese auch weiterhin.
  2. Die Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
  3. Cannabis-Verordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
  4. Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabistherapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungs­pflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
  5. Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt alle Ärztinnen und Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.

Ich bin mir sicher, dass mit dem Verzicht auf erneute Genehmigungen von Folgeverordnungen und im Rahmen der SAPV, einer Verordnungsbefugnis für alle Ärztinnen und Ärzte, und dem auch im Gesetz angelegten verkürzten Prüfverfahren nach stationärer Behandlung und in der AAPV nicht nur der gesetzgeberische Wille umgesetzt worden ist, sondern auch eine im Bedarfsfall zeitnahe und bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis ermöglicht wird.

Hier hat uns bei der Entscheidungsfindung auch das mit sehr vielen Fachgesellschaften, Expertinnen und Experten und sonstigen Beteiligten durchgeführte Stellungnahmeverfahren Erkenntnisse gebracht, die sich in wichtigen Regelungen des heutigen Beschlusses niederschlagen.“

Inkrafttreten

Der Beschluss wird in Kürze auf der Website des G-BA veröffentlicht. Er tritt in Kraft, wenn das Bundesministerium für Gesundheit ihn rechtlich nicht beanstandet und der G-BA ihn im Bundesanzeiger veröffentlicht hat.

Hintergrund: Regelungsauftrag des G-BA zu Cannabisarzneimitteln

Mit dem Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften, das am 10. März 2017 in Kraft getreten ist, wurde § 31 Absatz 6 SGB V ergänzt: Seitdem haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf eine Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität sowie auf Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.

Zudem hatte der Gesetzgeber festgelegt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte von 2017 bis 2022 eine Begleiterhebung zum Einsatz von Cannabis durchführt und der G-BA auf dieser Grundlage das Nähere zum zukünftigen Leistungsanspruch regelt. Die Ergebnisse der Begleiterhebung erhielt der G-BA im Sommer 2022.

In der ursprünglich veröffentlichten Fassung der Pressemitteilung war unter Punkt 1, "Im Einzelnen gilt Folgendes", irrtümlich bei der Erstverordnung von Cannabis die Einschränkung auf „in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten“ enthalten. Diesen Fehler haben wir korrigiert.


Beschluss zu dieser Pressemitteilung

Arzneimittel-Richtlinie: § 4a und Abschnitt N §§ 44 bis 46 (Cannabisarzneimittel)