Pressemitteilung | Methodenbewertung

Kryokonservierung von Eierstockgewebe wird Kassenleistung

Berlin, 18. August 2022 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat den bisherigen Anspruch für gesetzlich Versicherte auf Kryokonservierung bei einer potenziell keimzellschädigenden Behandlung entsprechend seines gesetzlichen Auftrags ergänzt: Zusätzlich zu Ei- oder Samenzellen kann nun auch Eierstockgewebe entnommen und in flüssigem Stickstoff eingefroren werden. Zu einer Keimzellschädigung kann es beispielsweise bei einer Strahlentherapie kommen. Für junge Frauen ab der ersten Regelblutung sowie für ältere Frauen gibt es künftig mit der Kryokonservierung von Eierstockgewebe eine weitere medizinische Option, um eine spätere Schwangerschaft zu ermöglichen. Dies ist vor allem für diejenigen Patientinnen relevant, bei denen eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke – als fester Bestandteil der Behandlung vor der Eizellentnahme – nicht möglich ist, beispielsweise weil die Therapie der Grunderkrankung sofort beginnen muss.

Voraussetzungen für Anspruch auf Kryokonservierung

Geht mit einer medizinischen Behandlung das Risiko einer Keimzellschädigung einher, werden die Erkrankten darüber aufgeklärt. Zudem informiert die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt darüber, dass vor diesem Hintergrund eine Kryokonservierung von Ei- beziehungsweise Samenzellen oder von Eierstockgewebe genutzt werden könnte. Kommt dies grundsätzlich in Frage, wird die Patientin oder der Patient ausführlich zu den verschiedenen Optionen für eine Kryokonservierung von Keimzellen und Keimzellgewebe in ihrem konkreten Fall sowie zu Risiken, Erfolgsaussichten und Kontraindikationen aufgeklärt und beraten.

Die operative Entnahme von Eierstockgewebe kommt für junge Frauen ab der ersten Regelblutung sowie für ältere Frauen bis zum vollendeten 40. Lebensjahr in Frage. Der G-BA setzt hier eine umfassende Beratung von Fachärztinnen und Fachärzten für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt „Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin“ voraus. Zudem sind die Qualifikationsanforderungen der Fachärztinnen und Fachärzte, die für die Entnahme berechtigt sind, auf unterschiedliche Patientinnengruppen zugeschnitten. Dabei wird nach körperlicher Entwicklung und Alter unterschieden.

Keinen Beschluss hat der G-BA für ganz junge Mädchen getroffen, bei denen die Regelblutung noch nicht eingesetzt hat. Hier ist derzeit wegen der als experimentell einzustufenden Studienlage unklar, ob sich das zugehörige medizinisch-wissenschaftliche Konzept zur Kryokonservierung von Eierstockgewebe und einer anschließenden Schwangerschaft auf diese Gruppe übertragen lässt und welche besonderen Anforderungen an die Leistungserbringer zu stellen wären.

Inanspruchnahme voraussichtlich ab Frühjahr 2023

Bevor die Leistungen zur Kryokonservierung von Eierstockgewebe von Fachärztinnen und Fachärzten erbracht und abgerechnet werden können, sind noch folgende Schritte notwendig: Der Beschluss des G-BA kann erst nach Nichtbeanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit im Bundesanzeiger veröffentlicht werden und in Kraft treten. Anschließend muss der sogenannte Bewertungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen – ein Gremium, in das der G-BA nicht eingebunden ist – noch über die Höhe der ärztlichen Vergütung entscheiden. Hierfür hat er maximal sechs Monate Zeit.

Datenlage zu Kryokonservierung von Hoden- und Eierstockgewebe wird spätestens in zwei Jahren überprüft

Der G-BA hat auch darüber beraten, inwieweit eine Kryokonservierung von Hodengewebe als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt werden kann. Im Ergebnis sieht der G-BA hierfür mit Ausnahme der Testikulären Spermatozoenextration (TESE) noch keine Möglichkeit, weil kryokonserviertes Hodengewebe derzeit nur in Einzelfällen als experimentelle Versuche rückübertragen werden. Da sich die wissenschaftliche Datenlage zur Kinderwunschbehandlung und damit auch zur Kryokonservierung von Keimzellen und Keimzellgewebe sehr schnell weiterentwickelt, wird der G-BA diese spätestens in zwei Jahren überprüfen und erneut beraten.

Hintergrund: Kryokonservierung

Der G-BA definiert im Auftrag des Gesetzgebers, unter welchen Voraussetzungen Ei- oder Samenzellen oder Keimzellgewebe entnommen, aufbereitet und gelagert werden können, welche begleitenden medizinischen Maßnahmen zum Leistungsumfang gehören und welche qualitätssichernden Vorgaben einzuhalten sind: Richtlinie zur Kryokonservierung

Den Anspruch von gesetzlich Versicherten auf Kryokonservierung bei einer potenziell keimzellschädigenden Therapie hatte der Gesetzgeber 2019 in das Sozialgesetzbuch eingeführt (§ 27a Abs. 4 SGB V). Dabei hatte er bereits vorgegeben, dass dieser Anspruch Keimzellen oder Keimzellgewebe umfasst.

Anders als bei den Regelungen zur Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen gibt es zur Kryokonservierung von Eierstock- und Hodengewebe außer der TESE noch keine etablierten Verfahren mit sicherer Erkenntnislage. Der aktuelle Beschluss zur Kryokonservierung von Eierstockgewebe stützt sich auf die verfügbare Literatur für die Personengruppe der erwachsenen Frauen, Fallberichte und vom G-BA durchgeführte Expertenbefragungen. Berücksichtigt wurden zudem die einschlägige Richtlinie der Bundesärztekammer und Hinweise aus dem Stellungnahmeverfahren.

Informationen zu den derzeit geltenden Regelungen bei Kryokonservierung sind auf der Website des G-BA zu finden: Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen


Beschluss zu dieser Pressemitteilung

Richtlinie zur Kryokonservierung: Kryokonservierung von Keimzellgewebe