Anspruch auf Zweitmeinung auch bei bestimmten Eingriffen am Herzen
Berlin, 18. März 2022– Patientinnen und Patienten mit Herzrhythmusstörungen, denen eine elektrophysiologische Herzkatheteruntersuchung oder eine Verödung von Herzgewebe (Ablation) empfohlen wird, haben künftig Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Unabhängige Fachärztinnen und Fachärzte, die für die Eingriffe, die Einschätzung der medizinischen Behandlungsempfehlung sowie für alternative Vorgehensweisen besonders qualifiziert sind, prüfen, ob die geplante Untersuchung beziehungsweise Behandlung auch aus ihrer Sicht medizinisch notwendig ist. Und sie beraten die Versicherten zu möglichen Alternativen, denn jeder dieser Eingriffe geht auch mit Risiken einher. Mit dem heutigen Beschluss erweitert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seine Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL) um einen siebten planbaren Eingriff.
Karin Maag, unparteiisches Mitglied des G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Qualitätssicherung dazu: „Die Zahl an elektrophysiologischen Herzkatheteruntersuchungen und Verödungen von Herzgewebe, von dem eine Rhythmusstörung ausgeht, ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen: im Zeitraum von 2008 bis 2018 um 191 Prozent. Und wir sehen innerhalb Deutschlands doch recht erhebliche regionale Unterschiede bei der Eingriffshäufigkeit. Der generelle Anstieg gerade bei den Ablationsbehandlungen kann möglicherweise mit einer verbesserten Vordiagnostik und verringerten Komplikationsrisiken zusammenhängen. Es ist allerdings auch nicht auszuschließen, dass die Kathetereingriffe auch dann durchgeführt werden, wenn sie medizinisch eigentlich nicht die erste Wahl sind. Patientinnen und Patienten haben deshalb zukünftig einen Anspruch darauf, zu dem empfohlenen Eingriff eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. Denn in bestimmten Konstellationen können möglicherweise auch Herzschrittmacher oder Defibrillatoren der bessere Weg sein, die Herzrhythmusstörung in den Griff zu bekommen. Zum Einsatz solcher Aggregate am Herzen wird der G-BA voraussichtlich im Mai dieses Jahres ebenfalls eine Erweiterung der Zweitmeinungsrichtlinie beschließen.“
Ursachensuche und Behandlung bei Herzrhythmusstörungen
Herzrhythmusstörungen können durch ganz unterschiedliche Herzerkrankungen verursacht werden. Elektrophysiologische Herzkatheteruntersuchungen und Verödungen am Herzgewebe werden eingesetzt, um die Ursache genauer abzuklären und ggf. über diesen Weg zu behandeln. Bei der Untersuchung wird über spezielle Katheter die elektrische Herzaktivität an verschiedenen Stellen des Herzens gemessen. Basierend auf den Ergebnissen kann dann versucht werden, durch eine gezielte Verödung von Herzgewebe die Rhythmusstörung zu beheben oder den Rhythmus zu verbessern. Es werden sowohl isolierte Untersuchungen als auch Kombinationseingriffe mit Untersuchungen und unmittelbarer Behandlung durchgeführt.
Zweitmeinungsgebende Fachärztinnen und Fachärzte
Fachärztinnen und Fachärzte, die eine Genehmigung als sogenannte Zweitmeiner erhalten wollen, müssen in einer der folgenden Fachrichtungen qualifiziert sein: Innere Medizin und Kardiologie oder Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie. Sofern es die Behandlung von Kindern und Jugendlichen betrifft, können auch Pädiaterinnen und Pädiater mit Schwerpunkt Kinderkardiologie oder Kinder- und Jugendkardiologie als Zweitmeiner tätig sein.
Inanspruchnahme der neuen Zweitmeinungen
Der Beschluss des G-BA wird dem Bundesministerium für Gesundheit nun zur rechtlichen Prüfung vorgelegt und tritt nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Anschließend können ambulant oder stationär tätige Ärztinnen und Ärzte der einschlägigen Fachrichtungen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Genehmigung beantragen, Zweitmeinungen abgeben und gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen zu dürfen.
Versicherte werden zweitmeinungsberechtigte Fachärztinnen und Fachärzte dann über die Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes www.116117.de/zweitmeinung finden.
Hintergrund – Zweitmeinungsverfahren zu geplanten Operationen
Gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten haben bei planbaren Operationen gemäß § 27b SGB V einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung. Der G-BA legt in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren den genauen Leistungsumfang eines Zweitmeinungsverfahrens fest. Zudem wählt er aus, für welche Eingriffe dieser Anspruch besteht. Ein rechtlicher Zweitmeinungsanspruch besteht aktuell bei den folgenden planbaren Eingriffen:
- Amputation beim diabetischen Fußsyndrom
- Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln
- Eingriff an der Wirbelsäule
- Gebärmutterentfernung
- Gelenkspiegelungen an der Schulter
- Implantation einer Knieendoprothese
Informationen zum generellen Leistungsumfang des Zweitmeinungsverfahrens und der konkreten Inanspruchnahme stellt der G-BA in einer Patienteninformation (pdf 64,14 kB) – auch in Leichter Sprache (pdf 130,15 kB) – zur Verfügung.
Allgemeine Informationen sind zudem auf der Website des G-BA zu finden: Zweitmeinungsverfahren bei planbaren Eingriffen