Immuntherapie mit Blinatumomab verbessert Überlebenschancen bei sehr seltenem Blutkrebs im Kindesalter
Berlin, 20. Januar 2022 – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat heute den Zusatznutzen des Wirkstoffs Blinatumomab für ein neues, sehr seltenes Anwendungsgebiet als erheblich eingestuft. Diese höchste Kategorie eines Zusatznutzens vergibt er für ein Orphan Drug erst das zweite Mal. Die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten und damit aussagekräftigen Zulassungsstudie haben gezeigt, dass Blinatumomab als Monotherapie bei Kindern mit einem ersten Rückfall einer speziellen Form von Akuter Lymphatischer Leukämie (ALL) sehr deutliche Vorteile im Vergleich zu einer intensiven Chemotherapie hat. Die Chance für ein Überleben ist größer und das Risiko eines weiteren Rückfalls geringer. Zudem treten unter Blinatumomab weniger schwere und schwerwiegende Nebenwirkungen als unter intensiver Chemotherapie auf. Blinatumomab ist ein gentechnisch hergestellter Antikörper, der das körpereigene Immunsystem gegen Tumorzellen wirken lässt.
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel, hierzu: „Wir haben heute für die Immuntherapie Blinatumomab einen echten Therapiefortschritt festgestellt, wenn auch in einem sehr seltenen Anwendungsbereich. In Deutschland gibt es im Jahr circa sieben bis dreißig Kinder, die an dieser speziellen Unterform der Akuten Lymphatischen Leukämie erkrankt sind und nach einem ersten Rückfall einer weiteren Behandlung bedürfen. Besonders erwähnenswert ist zudem, dass der pharmazeutische Unternehmer trotz der Seltenheit der Erkrankung eine randomisierte, kontrollierte Studie durchgeführt hat und wir deshalb über recht zuverlässige Daten zum Zusatznutzen verfügen. Blinatumomab ist ein gutes Beispiel dafür, dass aussagekräftige Studien auch bei einer seltenen Erkrankung möglich sind.“
Blinatumomab bei sehr seltener Form von Blutkrebs
Die Akute Lymphatische Leukämie (ALL) ist eine selten vorkommende bösartige Erkrankung des blutbildenden oder lymphatischen Systems. Sie kann in jedem Alter auftreten, aber am häufigsten sind Kinder betroffen. Unbehandelt führt die ALL innerhalb weniger Monate zum Tod. Da die ALL kein einheitliches Krankheitsbild ist, sondern ganz verschiedene Ausprägungen und Unterkategorien hat, unterscheiden sich auch die Behandlungsansätze. Hierzu gehören derzeit vor allem die Chemotherapie und im Einzelfall eine Strahlentherapie oder eine Stammzelltransplantation. Ziel ist es, die Leukämiezellen möglichst vollständig zu zerstören, damit das Knochenmark seine blutbildende Funktion wieder aufnehmen kann.
Inkrafttreten des Beschlusses
Der Beschluss tritt mit Veröffentlichung auf der Website des G-BA in Kraft. Auf Grundlage des Bewertungsergebnisses vereinbaren der GKV-Spitzenverband und der pharmazeutische Unternehmer den zukünftigen Erstattungsbetrag.
Hintergrund: Zusatznutzenbewertung bei Orphan Drugs
Blinatumomab wurde als Orphan Drug, also als Arzneimittel gegen eine seltene Erkrankung, zugelassen. Der Beginn des Bewertungsverfahrens für das neue Anwendungsgebiet war der 1. August 2021.
Der Zusatznutzen gegenüber Therapiealternativen gilt bei Orphan Drugs nach dem Willen des Gesetzgebers bis zu einer Umsatzschwelle von 50 Mio. Euro als gesetzt. Ein direkter Vergleich mit einer Therapiealternative ist in diesem Fall – anders als bei gewöhnlichen Arzneimitteln – nicht verpflichtend vorgeschrieben. Für die 95 Orphan Drugs, die der G-BA ausschließlich anhand der Zulassungsstudien bereits bewertet hat, war der Zusatznutzen bei 68 nicht quantifizierbar. Bei 12 war der Zusatznutzen gering, bei 14 beträchtlich. Die höchste Kategorie „erheblich“ wurde mit dem heutigen Beschluss erst das zweite Mal vergeben – das erste Mal an eine Kombinationstherapie mit Ivacaftor bei Mukoviszidose.
Weitere Informationen zum Stichwort Nutzenbewertung von Arzneimitteln finden Interessierte auf der Website des G-BA.