EU-Verordnung verabschiedet: G-BA arbeitet an europäischer HTA-Bewertung mit
Berlin, 14. Dezember 2021 – Gestern hat das EU-Parlament die EU-HTA-Verordnung für eine gemeinsame Nutzenbewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment, HTA) beschlossen, zu denen beispielsweise auch neue Arzneimittel (inklusive Gen- und Zelltherapien), aber auch Medizinprodukte gehören.
Dazu Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vorsitzender des Unterausschusses Arzneimittel: „Mit der HTA-Bewertung von Innovationen auf europäischer Ebene wird sich vor allem die Arzneimittelbewertung in jenen Mitgliedsstaaten verbessern, die bisher nicht mit diesen systematischen, vergleichenden Analysen von klinischen Daten vertraut waren. Aber auch in Deutschland wird die EU-Verordnung einiges bei der Nutzenbewertung von neuen Arzneimitteln verändern. Künftig muss die gemeinsame klinische Bewertung auf europäischer Ebene in die frühe Nutzenbewertung einbezogen werden, wenn der G-BA über den patientenrelevanten Zusatznutzen zu entscheiden hat, Werturteile über den Zusatznutzen sowie Erstattungsentscheidungen werden mit der europäischen Nutzenbewertung jedoch nicht vorweggenommen.“
G-BA erarbeitet mit EU-Partnern Standards für HTA-Bewertungen
Als Teil des Konsortiums „EUnetHTA21“ arbeitet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) zusammen mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereits an den Grundlagen für die Umsetzung dieser Verordnung. Aufgabe des G-BA wird es unter anderem sein, an Prozess- und Strukturanforderungen sowie an methodischen Fragestellungen für klinische Beratungen mitzuarbeiten. Die klinische Bewertung auf europäischer Ebene soll künftig bei nationalen Entscheidungen zum Zusatznutzen bei neuen Arzneimitteln einbezogen werden. Gestartet werden soll ab 2025 mit einer gemeinsamen Bewertung bei Krebsmedikamenten und neuartigen Therapien (ATMPs).
Hecken weiter: „In den kommenden Jahren wird es darum gehen, gemeinsam mit anderen EU-Partnern verbindliche Standards für eine Nutzenbewertung zu definieren. Das bedeutet, sich gemeinsam darüber zu verständigen, welche methodischen Instrumente für eine HTA-Bewertung geeignet sind, wie mit verschiedenen Endpunkten umgegangen wird und wie unterschiedliche Evidenz einbezogen wird. Einig sind wir uns, dass die beste wissenschaftliche Basis dafür vergleichende kontrollierte Studien sind. Zugleich zeigt sich in der Praxis aber: Neue Arzneimittel kommen nicht selten mit schwachen Daten auf den Markt. Herausfordernd wird auch die Frage werden, wie mit der wachsenden Nachfrage umgegangen wird, Real-World-Evidence, also Daten aus dem Versorgungsalltag, für die Nutzenbewertung heranzuziehen. Eine Aufgabe bei der Umsetzung der Verordnung wird es daher auch sein, für solche schwierigen Fälle methodische Lösungen zu entwickeln. Das wäre dann die beste Voraussetzung für die nationalen Gremien, die die eigentliche Entscheidung zum Zusatznutzen treffen werden.“
Hecken abschließend: „Der G-BA bringt für die Arbeit auf europäischer Ebene viel Erfahrung aus seinen nationalen Bewertungen der letzten zehn Jahre mit. Das deutsche AMNOG-Verfahren ist zwar streng, zugleich aber auch flexibel genug, um als lernendes System auf Veränderungen zu reagieren. Sicherlich ein Grund, warum es von der Industrie wie auch von Krankenkassen akzeptiert wird.“
Hintergrund
Die EU-HTA-Verordnung, auf die sich die EU nach jahrelangen Verhandlungen in diesem Jahr verständigt hat, stellt die Basis für die verbindliche Zusammenarbeit der nationalen HTA-Behörden der EU-Mitgliedsstaaten dar. Zuvor gab es einen freiwilligen Austausch in der EUnetHTA-Gruppe. Mithilfe von HTA-Bewertungen soll der Mehrwert neuer Gesundheitstechnologien und Verfahren für Patientinnen und Patienten im Vergleich zu bereits bestehenden Ansätzen eingeschätzt werden. Auf europäischer Ebene erfolgt künftig eine klinische Beurteilung von Daten im Rahmen der HTA-Bewertung. Sie soll in den Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden, sofern diese Daten für die nationale Fragestellung geeignet sind und den Qualitätsansprüchen genügen. Die eigentliche Entscheidung zum Zusatznutzen von neuen Arzneimitteln trifft in Deutschland weiterhin der G-BA. Sein Beschluss bleibt der Ausgangspunkt für die Preisverhandlungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den einzelnen pharmazeutischen Unternehmen.
13 EUnetHTA-Mitgliedsorganisationen (HTA-Agenturen aus Spanien, Österreich, Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Irland, Ungarn, Norwegen, Schweden, Niederlande sowie der G-BA und das IQWiG aus Deutschland) sollen die Umsetzung der EU-HTA-Verordnung und somit die künftig verbindliche gemeinsame Arbeit vorbereiten. Methoden, Verfahren und Papiere aus früheren EU-HTA-Projekten werden einbezogen. Nach den ersten gemeinsamen Bewertungen bei Krebsmedikamenten und ATMPs sollen Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs) folgen und dann alle anderen Verfahren inklusive neuer Anwendungsgebiete und Medizinprodukte.
EU regulation approved: G-BA collaborates on European health technology assessment
Berlin, 14 December 2021 – Yesterday, the EU Parliament adopted the EU Regulation on Health Technology Assessment (HTA), which includes not only new medicines (including gene and cell therapies), but also medical devices.
Professor Josef Hecken, Impartial Chair of the German Federal Joint Committee (G-BA) and Chair of the Pharmaceuticals Subcommittee stated: ‘The use of HTA for innovations at European level will especially improve the assessment of medicinal products in Member States that were previously unfamiliar with this systematic, comparative analysis of clinical data. However, the new EU regulation will also change certain aspects in Germany, particularly the benefit assessment of new medicinal products. In future, joint clinical assessments at European level must be included in early benefit assessments when the G-BA has to decide on the additional benefit to patients. However, HTA at European level is not expected to affect added value judgements or reimbursement decisions’.
G-BA develops standards for HTA with EU partners
As part of the EUnetHTA21 consortium, the G-BA is already working together with the Institute for Quality and Efficiency in Health Care (IQWiG) on the foundations for implementing the new regulation. The G-BA is responsible for working on process and structural requirements as well as methodological issues for clinical consultations. In future, clinical assessment at EU level is to be included in national decisions on the added benefit of new medicinal products. A joint assessment of cancer drugs and advanced therapy medicinal products (ATMPs) is scheduled to begin in 2025.
Hecken added: ‘In the coming years, it will be a matter of defining binding standards for HTAs together with other EU partners. This means jointly agreeing on which methodological tools are suitable for HTAs, how to deal with different endpoints and how to include different evidence. We agree that comparative controlled studies are the best scientific basis for this. At the same time, however, it has become apparent in practice that new medicines often come onto the market with weak data. The issue of how to deal with the growing demand to use real-world evidence, that is, data from everyday health care, for HTAs will also be challenging. One of the key tasks for implementing the regulation will therefore be to develop methodological solutions for these kinds of difficult cases. This will become the best prerequisite for the national committees that will make the actual decisions on added value’.
Hecken concluded: ‘The G-BA brings a great deal of experience from its national assessments over the last ten years to work done at European level. Although the German AMNOG procedure is quite strict, it is also a learning system that is flexible enough to react to changes. This is certainly one reason why it is accepted by both industry and health insurance funds’.
Background
The EU HTA Regulation, which the EU agreed on this year after years of negotiations, provides the basis for binding cooperation between the national HTA authorities of the EU Member States. Previously, there was voluntary exchange through the EUnetHTA network. With the help of HTA, the added value of new health technologies and procedures for patients is assessed in comparison to approaches that already exist. In the future, a clinical assessment of data will be carried out at European level as part of the HTA process. Member States are required to take this into account, provided that these data are suitable for the national issue and meet quality requirements. In Germany, the actual decision on the additional benefit of new medicinal products will continue to be made by the G-BA. Its decision remains the basis for price negotiations between the National Association of Statutory Health Insurance Funds (GKV-Spitzenverband) and the individual pharmaceutical companies.
13 EUnetHTA member organisations (HTA agencies from Spain, Austria, Belgium, France, Italy, Portugal, Ireland, Hungary, Norway, Sweden, the Netherlands, as well as the G-BA and IQWiG from Germany) are to prepare the implementation of the EU HTA Regulation which will be the basis for future binding joint work. Methods, procedures and papers from previous EU HTA projects will be included. After the first joint assessments of cancer medicines and ATMPs, medicines for rare diseases (orphan drugs) will follow, and then all other procedures including new indications and medical devices.